Florian Illies: Zauber der Stille
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Florian Illies: Zauber der Stille

Der Kunsthistoriker und Journalist versucht ein Porträt des Malers Caspar David Friedrich anhand seiner nicht sehr zahlreichen Gemälde und Skizzenbücher zu entwickeln. Unterhaltsam rollt er die Provenienzgeschichte der Bilder auf, grast in Archiven, Tagebüchern und Auktionskatalogen und verfolgt systematisch, wer es kaufte, wann es verschwand und wieder auftauchte, um abermals verkauft, verschenkt, beschlagnahmt, versteckt, verkannt in ein Magazin gesperrt oder wieder in Ehren aufgehängt zu werden.
Friedrichs Landschaftsbilder wirken realitätsnah, sind aber – auch wenn er den Ort selbst benennt – Kompositionen aus zahlreichen Skizzen, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten. Er kombinierte böhmische Berge mit sächsischen Bäumen, Greifswalder Küste und Ruinen der Zittauer Gegend. Bei besonders markanten Details ist es Forschern sogar gelungen, z.B. einen Felsen zu identifizieren, weil der Wanderweg, der daran vorbeiführt, nachweislich von Friedrich begangen wurde.
Das Verhältnis Friedrichs zu seinen Mitmenschen war widersprüchlich. Nicht nur, dass seine Rückenansichten auf den Bildern verschleiern, das der Maler Menschen nicht darstellen konnte, auch im Leben findet er zu Frauen erst spät und nur zu wenigen Freunden Zugang. Ihm fehlt etwas Gespür für die Befindlichkeiten möglicher Kunden, so wird
er Goethe immer wieder lästig, von dem er sich Unterstützung erhofft. Seine Grundstimmung war melancholisch, denn früh lastet der Tod etlicher Angehöriger auf ihm, seines Bruders, nachdem er Friedrich vor dem Ertrinken gerettet hatte.
Der Autor hat das Buch in vier Kapiteln den Elementen zugeordnet, was nicht so ganz überzeugt, weil die Bilder nicht eindeutig jeweils nur ein Element darstellen. Auch fehlt ein roter Faden, der Text springt chronologisch hin und her und wiederholt sich deshalb oft. Illies Stil liest sich locker leicht, beinhaltet ansprechende Assoziationen und ironische Beurteilungen, allerdings auch an Haaren herbeigezogene Anmerkungen. Persönliche Eigenschaften mit Sternzeichen zu erklären, kann vielleicht noch als eine zeitgenössische Fehleinschätzung durchgehen, aber von der Wand fallenden Bildern eine magische Bedeutung beizumessen, verwundert bei einem ehemaligen Feuilletonisten der FAZ.
Florian Illies, »der große Geschichtenerzähler« (»Süddeutsche Zeitung«) begründete mit seinem Welterfolg »1913« ein neues Genre. Ihm folgten bei S. FISCHER das inzwischen in über zwanzig Sprachen übersetzte Buch über die 1920er und 1930er Jahre »Liebe in Zeiten des Hasses« (2021) sowie der große Nr. 1-Bestseller über die Sehnsuchtsbilder Caspar David Friedrichs, »Zauber der Stille« (2023). Geboren 1971, studierte Florian Illies Kunstgeschichte und Neuere Geschichte in Bonn und Oxford. Er wurde 1996 Redakteur der »FAZ«, war Feuilletonchef der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« und leitete ein Kunst-Auktionshaus. Heute ist Illies einer der Herausgeber der »ZEIT« und lebt als Autor in Berlin.
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- Erscheinungstermin: 16.07.2025
- Lieferstatus: Lieferzeit 1-2 Tage
- ISBN: 978-3-596-29766-5
- 256 Seiten



