Wolfgang Schäuble: Ein Leben im Dienst der Politik
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker hatte während seiner politischen Laufbahn viele Posten inne: Im Bund war er Innen- sowie Finanzminister, für seine Partei Vorsitzender und Fraktionschef.
Der ehemalige Bundestagspräsident und CDU-Chef Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Er sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend friedlich eingeschlafen, teilte die Familie des Politikers mit. Wolfgang Schäuble war eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Politik, dessen Leben von bedeutenden Erfolgen, aber auch von einem einschneidenden Attentat und einer anschließenden Überwindung großer persönlicher Herausforderungen geprägt ist.
Frühes Leben und politischer Aufstieg
Wolfgang Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg im Breisgau geboren. Seine politische Karriere begann er früh, als er 1969 der CDU beitrat. Schnell machte er sich einen Namen als intelligenter und zielstrebiger Politiker. Von 1984 bis 1991 war er Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes unter Helmut Kohl. In dieser Zeit spielte Wolfgang Schäubles eine entscheidende Rolle bei der Wiedervereinigung Deutschlands und trug dazu bei, die historische Teilung des Landes zu überwinden. Als Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes unter Helmut Kohl spielte Schäuble eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen und Entwicklungen, die zur deutschen Wiedervereinigung führten.
Das Attentat 1990
Schäubles Leben im Rollstuhl machte ihn zu einem Vorbild für Menschen mit Behinderungen. Er setzte sich aktiv für die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen ein und trug dazu bei, Barrieren in der Gesellschaft abzubauen. Seine persönliche Geschichte bleibt eine Inspirationsquelle für viele, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Das Leben von Wolfgang Schäuble im Rollstuhl ist nicht nur ein persönliches Überwindungsbeispiel, sondern auch eine Demonstration seiner Hingabe an die politische Verantwortung und seinen Einsatz für eine inklusive Gesellschaft. Seine Geschichte illustriert, wie individuelle Stärke und Entschlossenheit dazu beitragen können, Verhaltensgrenzen zu überwinden und eine positive Veränderung zu bewirken. Sein Einsatz für die europäische Integration und seine Überzeugung, dass Deutschland eine aktive Rolle in internationalen Angelegenheiten spielen sollte, spiegeln sich in seinem Engagement als Bundestagspräsident seit 2017 wider. Schäuble hat bewiesen, dass seine politische Leidenschaft und sein Dienst am Gemeinwohl durch nichts gebrochen werden können.
Intrigen, Kampf und Überzeugungen
Politiker – schon gar “Berufspolitiker” – genießen in Deutschland gemeinhin keinen sonderlich guten Ruf. Inkompetenz, Faulheit, Raffgier, Machthunger, Realitätsferne – die Liste der negativen Stereotypen in Richtung derer “da oben” könnte mühelos noch beträchtlich verlängert werden. Dass die übergroße Zahl der Kritiker dabei geflissentlich außer Acht lässt, dass die Parlamente doch im Grunde die Gesellschaft widerspiegeln sollen – wen kümmert das schon beim Dampfablassen. Natürlich gibt es auch im Bundestag höchst fragwürdige Abgeordnete. Aber es gibt genauso Persönlichkeiten von herausragender Bedeutung. Exakt eine solche Persönlichkeit war Wolfgang Schäuble. Mit allen Vorzügen, aber auch mancherlei unnötigen Kanten. Mit feinfühliger Mitmenschlichkeit, aber auch brutaler Härte, wenn es darum ging, Dinge umzusetzen, von deren Notwendigkeit für Staat und Gesellschaft er (nach zumeist langen, gründlichen Überlegungen) überzeugt war. Dabei schonte Schäuble auch die eigene, christdemokratische Partei und die Unions-Mitglieder nicht. Als Beispiel dafür mag die Rolle des damals noch jungen, weithin unbekannten Abgeordneten während des so genannten Barzel-Untersuchungsausschusses gelten. Die schärfsten Fragen an den und die härtesten Attacken gegen den seinerzeit prominenten CDU-Politiker stellte und ritt der juristisch gut geschulte Schäuble. Mit dreifachem Erfolg – Barzel musste gehen, die CDU/CSU war eine “politische Last” los, und der ebenso hartnäckige wie ehrgeizige Schäuble hatte seinen Namen auf der Liste parlamentarischer Hoffnungsträger auf der damals noch in Bonn agierenden politischen Bühne.
Der Pfälzer Helmut Kohl und der Badener Wolfgang Schäuble galten in der Bonner Szene nicht nur als eine Art Traumpaar, sie waren es tatsächlich über lange Jahre auch. In Schäuble hatte der Kanzler einen nicht nur fleißigen und intelligenten, sondern vor allem absolut treuen Knappen. Und es war allen Beobachtern klar, dass aus dem Knappen eines Tages der Kronprinz erwachsen und (Wählerwille vorausgesetzt) auch der nächste Regierungschef kommen werde. So legte es der “Riese aus der Pfalz” tatsächlich auch in der zweiten Hälfte der 90-er Jahre auf dem Leipziger Parteitag, begleitet von der Zustimmung der Delegierten fest. Aber dann traute der früher immer so instinktsichere Kohl seinem bisherigen Favoriten plötzlich nicht mehr zu, die Bundestagswahl 1998 für CDU und CSU zu gewinnen und trat stattdessen selbst noch einmal an. Das Ergebnis ist bekannt: die Union verlor, die Ära Kohl war nach 16 Jahren beendet, das bis dahin enge Freundschaftsverhältnis zwischen den beiden Männern hatte einen ersten Knacks bekommen. Aber immerhin – Schäuble erhielt den einflussreichen Posten des Fraktionsvorsitzenden und konnte den Kurs der Unionsparteien ganz entscheidend beeinflussen. Als sich Helmut Kohl während der so genannten Parteispenden-Affäre schließlich weigerte, die Namen der Personen zu nennen, die ihm (nicht zur persönlichen Bereicherung) anonym für die Partei Geld zugesteckt hatten, kündigte Schäuble seinem einstigen großen Vorbild vollends die Freundschaft. Die Verbitterung saß so tief, dass Wolfgang Schäuble nicht einmal mehr an der Beerdigung Helmut Kohls teilnahm. Nicht wenige Zeitzeugen meinten in diesem Verhalten auch so etwas wie pietistische Selbstgerechtigkeit des Badeners zu erkennen.
Kein Zweifel, das wirklich große Lebensziel dieses Politikers aus Leidenschaft war die Kanzlerschaft, war ein Regierenwollen im Sinne des Grundgesetzes zum Wohle der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger. Nach ethischen, dem modernen Christentum verpflichteten Grundsätzen, aber trotzdem konservativen Werten wie Grundsatztreue, Zuverlässigkeit, Solidarität, Eigenverantwortung und -verantwortlichkeit. Doch mit dem kalendarischen Übergang ins 21. Jahrhundert, vielleicht auch mit dem (von ihm selbst mit Inbrunst betriebenen) politischen Wechsel von Bonn nach Berlin und neuen Politiker-Generationen war offensichtlich auch die hohe “Zeit” Wolfgang Schäubles überschritten. Einen wirklichen Machtkampf mit Angela Merkel ließ er ebenso aus wie ein Wettrennen um den Thron des Bundespräsidenten. Stattdessen ließ er (ganz offensichtlich mit Vergnügen) sein zorniges Auge und seinen mahnenden Zeigefinger noch ein paar Jahre als Parlamentspräsident walten. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, als Bundestagssenior den “Neuen dort unten” zumeist kluge Ratschläge zu erteilen. Mit Wolfgang Schäubles Tod ist ohne Zweifel die Zahl von Deutschlands wirklich bedeutenden Köpfen noch einmal kleiner und überschaubarer geworden.
Mit Zuarbeit von Gisbert Kuhn