Juliana Weinberg: Die Kinder der Luftbrücke
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Die Lehrerin Juliana Weinberg hat einen Liebesroman vorgelegt, der im Westberlin der Nachkriegszeit spielt. Im Gegensatz zum Titel stehen im Zentrum Nora, eine Frau mit zwei Kindern, deren Vater seit Jahren vermisst ist, ihre Mutter und Schwester. Da Nora ihn nicht für tot erklären lassen will, bekommt sie keine Witwenrente und das Geld ist knapp. Die im Klappentext versprochene gesteigerte Verzweiflung wird schnell abgehandelt, denn sie hat das Glück, bei den Amerikanern am Flughafen Tempelhof als Übersetzerin Arbeit zu finden und kommt dort mit politischen Entscheidern in Kontakt. Keines der Geheimnisse, die sie dort erfährt, beeinträchtigen Gedanken oder Handeln. Da gäbe es doch sicher Zeitzeugenberichte, die stärkeren Tobak angeboten hätten.
Statt Konflikte auszubauen und damit Spannung zu erhöhen, lässt man sich z.B. von Ladenbesitzern aus Bequemlichkeit schikanieren. Ziemlich wahllos werden dagegen Nebensächlicjkeiten, wie ein fast verbrauchter Lippenstift, dargestellt. Weder die Sorgen einer Mutter bei Kleidungsfragen, noch bei der Essensbeschaffung überzeugen. Mehr Gewicht legt die Autorin auf das Mobbing im Büro. Nora, die von Anfang an eine Freundin findet, verliebt sich in Matthew, einen der Piloten der Luftbrücke, was ihr die Kolleginnen neiden. Ihren vermissten Ehemann hat sie weniger geliebt, erkennt sie bei dieser Gelegenheit. Das mindert ihre Gewissensbisse. Ihre Tochter hängt mehr am Vater und zickt gegen den neuen Partner. Es ist zwar nachvollziehbar, dass Nora ihr gegenüber Schuldgefühle hat, denen sie fast unterliegt. Die Kommentare des Mädchens schaukeln sich aber nicht hoch, da explodiert kein Gespräch, kein Psychologe muss eingreifen, alle haben Verständnis, bis das Mitleid mit der Mutter siegt. Wenig glaubhaft bei einer Pubertierenden.
Andere heiratswillige Kolleginnen legen sich erfolglos ins Zeug, um von Amerikanern aus der Misere gerettet zu werden. Welche Schwierigkeiten typisch für die Situation waren, wie z.B. Medikamentendiebstahl, Zuteilung der Carepakete, Ängste vor den Besatzern aus Ost und West, die Unsicherheit, Vorurteile, Verfall aller Werte werden höchstens andeutungsweise abgehandelt. Da gibt es wenig, um mit zu zittern. Dem arbeitslosen Schwager Noras droht zwar eine Verhaftung wegen Schieberei. Dem entgeht er, indem ihn Matthew, der von Nora schon abserviert wurde, mal eben auf dem Rückflug in den Westen mitnimmt. War das wirklich so einfach? Die historischen Anhaltspunkte sind beliebig herausgegriffen, entwickeln sich nicht und treiben die Handlung nicht wirklich voran.
Der Schreibstil ist recht einfach, regionale und zeittypische Umgangssprache fehlen. Das Buch könnte heranwachsende Mädchen in die Thematik einführen.
Juliana Weinberg wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern im Pfälzer Wald. Sie arbeitet als Lehrerin und hat im Schreiben ihre große Erfüllung gefunden.
- Verlag: Ullstein Taschenbuch
- Einbandart: Klappenbroschur
- Seitenanzahl: 448 Seiten
- ISBN: 9783548066721
- Erscheinungstag: 27.04.2023
- Preise: DE 14,99 €, AT 15,50 €