Politik: Frieden nur auf dem Papier
Die Abraham-Abkommen wurden als diplomatischer Erfolg gefeiert. Doch ihre falschen Annahmen stehen einer Lösung des Nahost-Konflikts im Weg.

Noch bevor US-Präsident Donald Trump das Weiße Haus zurückeroberte, bemühte er sich bereits darum, sein Vermächtnis im Nahen Osten weiter zu festigen. „Präsident Trump wird auf jeden Fall versuchen wollen, die Abraham-Abkommen auszuweiten“, erklärte Jason Greenblatt, Trumps früherer Nahost-Sonderbeauftragter, im Dezember vor Tausenden internationalen Delegierten auf dem Doha-Forum in Katar. Die Abraham-Abkommen sind eine Reihe von Normalisierungsabkommen, die 2020 von Israel, Bahrain, Marokko und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet wurden, und nach wie vor Trumps wichtigster außenpolitischer Erfolg seiner ersten Amtszeit. Sie wurden sowohl von seinen Verbündeten als auch von seinen schärfsten politischen Gegnern begrüßt – auch von dem jetzt aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Joe Biden.
Biden befürwortete die Abraham-Abkommen nicht nur ohne Vorbehalte, sondern versuchte auch auf ihnen aufzubauen und ein bahnbrechendes Abkommen mit Saudi-Arabien, dem mächtigsten und einflussreichsten arabischen Staat, unter Dach und Fach zu bringen. Als Gegenleistung für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien bot er den Saudis an, ihre strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten massiv auszubauen und sie einem NATO-Verbündeten gleichzustellen. Ein Abkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel wäre der größte Durchbruch in den arabisch-israelischen Beziehungen, seit Ägypten 1979 als erster arabischer Staat mit Israel einen Friedensvertrag unterzeichnete und damit aus der arabischen Welt ausscherte. Ein israelisch-saudisches Abkommen würde anderen arabischen und muslimischen Nationen den Weg bereiten, diesem Beispiel zu folgen.
Die arabisch-israelischen Friedensbemühungen setzen allerdings voraus, dass die Palästinafrage ausgeklammert wird. Bis 2020 waren sich die arabischen Staaten einig, dass der Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel nur über die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates führen könne. Bahrain, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate beschlossen, von dieser Linie abzuweichen, und beraubten die Palästinenser damit eines wichtigen Druckmittels gegenüber Israel. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der verheerende Krieg Israels gegen Gaza haben die israelisch-saudische Annäherung faktisch zum Scheitern gebracht und deutlich gemacht, dass die Palästinafrage nicht ausgeklammert oder der arabisch-israelischen Normalisierung untergeordnet werden kann.
Trotz dieser Hemmnisse will Trump unbedingt zum Abschluss bringen, was er in seiner ersten Amtszeit begonnen und was Biden fortgeführt hat. Er hat die Absicht, ein Mega-Abkommen zwischen den USA, Israel und Saudi-Arabien zu schließen, und greift damit die ursprüngliche Vision der Abraham-Abkommen wieder auf, die eine Aufwertung Israels und eine Abwertung der Palästinenser vorsieht. Alles deutet darauf hin, dass Trump nach wie vor überzeugt ist, für die arabischen Staats- und Regierungschefs sei die Integration Israels in die Region wichtiger als die Freiheit der Palästinenser. Greenblatt hält es für einen Fehler, „zu glauben, der israelisch-palästinensische Konflikt sei das A und O und nach einer Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern werde im Nahen Osten alles zum Besten bestellt sein“.
Kritikerinnen und Kritiker der Abraham-Abkommen haben jedoch nie behauptet, dass mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt auch alle anderen Streitigkeiten in der Region beigelegt wären. Ganz im Gegenteil: Sie halten Frieden und Sicherheit in der Region ohne eine Lösung der Palästinafrage für unmöglich. Faktisch ist die zentrale Prämisse der Abraham-Abkommen, dass sich Frieden und Stabilität in der Region unter Ausschluss der palästinensischen Seite erreichen ließen, durch den Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und alles, was danach geschah, komplett hinfällig. Das Waffenstillstandsabkommen, das nun in Kraft getreten ist, unterstreicht die zentrale Bedeutung der Palästinenser für die regionale Sicherheit und Stabilität, eröffnet vielleicht aber auch diplomatische Spielräume für ein neuerliches israelisch-saudisches Engagement unter Trumps Führung.
Die Abraham-Abkommen zeigen deutlich, wo die Kontinuität zwischen Trump und Biden liegt.
Die Abraham-Abkommen zeigen deutlich, wo die Kontinuität zwischen Trump und Biden liegt. Ihre Beweggründe und Taktiken mögen unterschiedlich sein, aber beide Präsidenten geben sich der gefährlichen Illusion hin, Frieden, Stabilität und Wohlstand seien im gesamten Nahen Osten möglich, auch wenn in den besetzten palästinensischen Gebieten Krieg, Chaos und Enteignung herrschen.
Nach der Aushandlung wurden die Abraham-Abkommen zwar als diplomatischer Triumph gefeiert, aber sie stützen sich auf eine Reihe falscher Annahmen. Die Begeisterung über die Normalisierungsabkommen von 2020 hatte weniger mit ihrer tatsächlichen Bedeutung zu tun als mit dem – vor allem in Washington und anderen westlichen Hauptstädten fast reflexartigen – Bedürfnis, hinter etwas zu stehen, das so offensichtlich im Interesse Israels lag. Ob das mit den politischen Zielen der USA zusammenpasste – wie mit einer Zweistaatenlösung oder stabilen Verhältnissen in der Region –, war dabei unerheblich. Dass „gut für Israel“ gern gleichgesetzt wird mit „gut für den Frieden“, ist im US-geführten diplomatischen Prozess gängige Praxis und einer der Hauptgründe, warum dieser Prozess in den vergangenen Jahrzehnten zum Scheitern verurteilt war.
Vielfach wurde versucht, zwei Dinge miteinander zu vereinbaren, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind: die Normalisierung der Beziehungen zu Israel und eine Zweistaatenlösung. Fakt bleibt aber, dass man in den Abraham-Abkommen ursprünglich eine Möglichkeit sah, die Palästinafrage zu umschiffen und die Handlungsmacht der palästinensischen Seite zu unterdrücken in der Hoffnung, dass die Palästinenser keine andere Wahl hätten, als jede langfristige Vereinbarung zu akzeptieren, die ihnen von den Vereinigten Staaten, Israel und der Region aufgezwungen werden würde. Die Abraham-Abkommen waren selbst einer der vielen Faktoren, die einer Zweistaatenlösung entgegenwirkten – und somit ein Zeichen dafür, dass bestimmte arabische Staaten ihren Standpunkt geändert hatten und nicht mehr bereit waren, ihre bilateralen oder geopolitischen Interessen gegenüber Israel dem Traumgespinst eines unabhängigen palästinensischen Staates unterzuordnen.
Zudem brachten die Abraham-Abkommen die Palästinenser um eine ihrer wenigen Einflussmöglichkeiten, die sie in ihrem ohnehin höchst asymmetrischen Konflikt mit Israel in der Hand hatten: den Druck der arabischen Nachbarländer, in denen die öffentliche Meinung der palästinensischen Sache nach wie vor fast ausnahmslos wohlwollend gegenübersteht. Damit entfielen für Israel auch einige der letzten noch verbliebenen Anreize, die Besetzung palästinensischer Gebiete zu beenden oder die Rechte der Palästinenser anderweitig anzuerkennen. Seit Israel keinerlei Beschränkungen mehr unterliegt, ist die palästinensische Bevölkerung zunehmend der Willkür einer immer gewalttätigeren und maximalistischeren israelischen Besatzung ausgeliefert. Die Folgen waren beispiellose Siedlungsausweitung, Siedlergewalt und Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland und in Ostjerusalem durch die israelische Armee sowie weitere kriegerische Auseinandersetzungen im Gazastreifen 2021 und 2022. Diese Situation hat sich unter Premierminister Benjamin Netanjahu noch weiter verschlimmert, der nach seiner Wiederwahl Ende 2022 die rechtsextremste Regierung in der Geschichte Israels bildete.
Weder Bahrain noch Marokko oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben je versucht, bei Israel zu intervenieren.
Die Behauptung, arabische Staaten könnten ihre neu angebahnten Beziehungen zu Israel nutzen, um die Sache der Palästinenser oder eine Zweistaatenlösung voranzutreiben, hat sich nie bewahrheitet. Weder Bahrain noch Marokko oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben je versucht, bei Israel zu intervenieren und zu verhindern, dass die Häuser der palästinensischen Bevölkerung zerstört oder dass Palästinenser aus ihren Häusern in Ostjerusalem vertrieben werden. Auch haben sie nicht versucht, etwas gegen die rasant wachsende Zahl von Siedlungen und gegen die Gewalt von Siedlern im gesamten Westjordanland zu unternehmen. Sie haben ihren vermeintlichen Einfluss nicht geltend gemacht, um gegen Israels Angriff auf Gaza einzuschreiten, der bereits mehr als 46 000 Menschen das Leben gekostet und die dortige zivile Infrastruktur zum größten Teil zerstört hat.
Andererseits zeigen emiratische Beamte wenig Skrupel, mit israelischen Siedlern Geschäfte zu machen oder in die Besatzungsinfrastruktur zu investieren – unter anderem in die von Israel errichteten Checkpoints. Während Biden und die Demokraten im Kongress bemüht waren, solche Widersprüche aufzulösen, können Trump und seine republikanischen Abgeordneten, von denen die meisten nicht einmal mehr so tun, als würden sie eine Zweistaatenlösung unterstützen wollen, diese Ungereimtheiten völlig ignorieren.
Selbst mit der minimalen Öffnung, die durch den Waffenstillstand erreicht wurde, wird es für die Trump-Regierung jedoch alles andere als einfach sein, die Saudis in die Abraham-Abkommen einzubinden. Schon vor dem 7. Oktober bestand kaum Aussicht auf ein israelisch-saudisches Abkommen. Inzwischen sind die Voraussetzungen noch viel ungünstiger. Die schrecklichen Bilder von Tod, Zerstörung und Hunger, die seit 15 Monaten aus Gaza kommen, sorgen in der arabischen und muslimischen Welt für Empörung und haben das Ansehen Israels und der USA im Globalen Süden schwer beschädigt. (Auch einige westliche Bündnispartner im Globalen Norden wie Irland, Norwegen und Spanien gehen mittlerweile auf Distanz zu Israel.)
Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate, einst das Paradebeispiel für die Normalisierung der arabisch-israelischen Beziehungen, sehen sich gezwungen, ihre Verbindungen zu Israel kleinzureden: Unternehmen in den Emiraten brüsten sich nicht mehr mit ihren Geschäftsbeziehungen zu Israel, und das ehemals herzliche Verhältnis des Staatschefs der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zu Netanjahu hat sich abgekühlt. Mit anderen Worten: Durch den Gaza-Krieg sind die Abraham-Abkommen zwar nicht geplatzt, aber de facto auf Eis gelegt.
Die Saudis haben die Hoffnung auf Vermittlung durch die USA aufgegeben und sich deshalb mit Frankreich zusammengetan.
Für Saudi-Arabien hat sich seit dem 7. Oktober und dem anschließenden Angriff auf Gaza der Preis für eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel deutlich erhöht. Der eigentliche Machthaber im Land, Kronprinz Mohammed bin Salman, wollte von Israel ein rein rhetorisches Bekenntnis zu einem palästinensischen Staat erwirken. Jetzt fordert Riad hingegen konkrete Schritte in Richtung Eigenstaatlichkeit. Die Saudis haben die Hoffnung auf Vermittlung durch die USA aufgegeben und sich deshalb mit Frankreich zusammengetan, um eine neue Initiative zu starten und zu retten, was von einer Zweistaatenlösung noch zu retten ist. Für den Kronprinzen, der nicht gerade für ein sentimentales Verhältnis zu Palästina bekannt ist, dürfte es jedenfalls schwierig werden, die Beziehungen zu einem Staat zu normalisieren, dem er und die saudische Regierung „Völkermord“ und „ethnische Säuberung“ vorwerfen.
Eine weitere Barriere ist für Riad die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Netanjahu und den ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Am deutlichsten kommt Saudi-Arabiens derzeitige Haltung in einem Kommuniqué zum Ausdruck, das im Dezember 2024 auf dem arabisch-islamischen Gipfel in Riad verabschiedet wurde. Darin werden nicht nur die Genozid-Vorwürfe erneuert, sondern auch der Ausschluss Israels aus den Vereinten Nationen gefordert. Das ist das genaue Gegenteil einer Normalisierung.
Zudem sind die Kosten für das regionale Sich-Einlassen mit Israel gestiegen und die Gewinnerwartungen entsprechend weiter gesunken. Die führenden Politiker Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten sind vor allem an Stabilität interessiert. Doch die letzten 15 Monate waren alles andere als stabil: Israel hat Gaza dem Erdboden gleichgemacht, führte einen erbitterten Krieg mit dem Libanon und besetzte Teile des Landes, verübte Vergeltungsschläge gegen den Iran und eroberte nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad große Gebiete des syrischen Territoriums. Die Abraham-Abkommen machten Hoffnung auf Frieden und Stabilität, aber in Netanjahus sogenanntem „neuen Nahen Osten“ herrscht eine andere Realität: endloses Blutvergießen und instabile Verhältnisse. Die Vision, die heute geboten wird, ist nicht die Vision einer friedlichen Integration Israels in die Region, sondern die einer gewaltsamen Vorherrschaft Israels.
Die Abraham-Abkommen haben dem Nahen Osten nicht nur keinen Frieden und keine Sicherheit gebracht, sondern genau das Gegenteil bewirkt: Sie haben israelischen Triumphalismus bestärkt, den Maximalismus Israels zementiert und dafür gesorgt, dass das Land keine Strafen zu befürchten hat. Davon auszugehen, dass eine Normalisierung der arabisch-israelischen Beziehungen über die Köpfe der palästinensischen Bevölkerung hinweg oder auf ihre Kosten erreicht werden könnte, war bestenfalls naiv und schlimmstenfalls gefährlich, wie die jüngsten Ereignisse deutlich zeigen. Es brauchte fast drei Jahre und das schlimmste Blutvergießen in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts, bis die Biden-Regierung sich dieser Tatsache endlich gestellt hat. Die Trump-Regierung täte gut daran, diese Lektion ebenfalls zu lernen.
© Foreign Affairs
Aus dem Englischen von Christine Hardung
Khaled Elgindy ist ein ehemaliger Senior Fellow und Direktor des Programms für Palästina und palästinensisch-israelische Angelegenheiten am Middle East Institute (MEI).
Schreibe einen Kommentar