Mandulis-Tempel von Kalabsha Fotos: K. Sistig, A. Rehbaum

Eine gewaltige Leistung vieler Nationen war im vergangenen Jahrtausend die Rettung der nubischen Denkmäler vor den Fluten des Nasser-Stausees. Die UNESCO veranlasste nach dem Bau des Staudamms in den 1960er Jahren eine weltweite Kampagne (Aus der Initiative entwickelte sich übrigens die Welterbekonvention.), an der sich fünfzig Länder mit 80 Millionen Dollars beteiligten. Bis 1980 wurden 22 Denkmäler in der Region umgesiedelt. Zum Dank erhielten manche Länder kleine Kapellen geschenkt, die nun in Museen ohne die markante Umgebung ein steriles Dasein fristen.

Die Denkmäler stammen vorwiegend aus einer Zeit, in der Ägypten im Niedergang begriffen war und ehemalige südliche Gegner die alte Macht des Reiches für sich zu reklamieren versuchten, indem sie den Formenkanon mit minderwertigem Material und schlechten Handwerkern nachahmten. Manche schrieben in die Kartusche nur den Titel Pharao, weil sie den Namen nicht wussten. Viele der Bauten blieben unfertig.

Das große Kreuzfahrtschiff (es gibt derzeit sieben) ist vielleicht nicht die urigste Annäherungsweise, aber die ungefährlichste für nicht ganz so fitte und anfällige Senioren, denn zwischen den Besichtigungen ist Zeit zur Entspannung und das Essen ist international. Verschiedene Reiseveranstalter teilen sich das Schiff, manche Gruppen bleiben nur drei, manche vier Tage oder wie wir eine Woche. Die Besichtigungen sind deshalb unterschiedlich getimt. Leider wurde uns nicht erlaubt, während eine Gruppe zum Tempelbesuch unterwegs war, das Schiff für einen Spaziergang in die Wüste zu verlassen.

Der Kiosk von Kertassi ist ein kleiner altägyptischer Tempelbau aus griechisch-römischer Zeit.

Die Auswahl der neuen Stellplätze scheint gelungen. Der unvollendete Mandulis-Tempel von Kalabsha wurde 1963 von Deutschland umgesiedelt. Bemerkenswert sind griechische Inschriften: Hier wurden die Gläubigen aufgefordert, dem Tempel mehr Respekt zu zollen und insbesondere davon abzusehen, in seinen Mauern Schweine zu hüten.

Um die Zahl nötiger Anlegestellen zu verringern, hat man mehrere Gebäudekomplexe nahe beieinander aufgebaut. Kalabsha, Kertassi und Bet el Wali teilen sich eine Insel.

Die Tempel von Wadi Es Sebua, Dakka und Meharaqa sind in fußläufiger Entfernung voneinander am Ufer wiedererrichtet. Den ersten erbaute Setau, Vizekönig von Kusch, im Namen Ramses II.. An seinem ursprünglichen Platz in einem Tal wurde der Tempel regelmäßig teilweise überschwemmt, was dem bröckeligen Baumaterial schadete.

Der Thot-Tempel von Dakka bei Sonnenaufgang

Der zweite, der dem Gotte Thot geweihte Tempel von Dakka, bot bei Sonnenaufgang eine unwirkliche Kulisse vor dem Kabinenfenster. Er wurde von dem meroitischen König Arqamani ca. 200 v.Chr. begonnen. Auch diesem Bau fehlte der letzte Schliff. Der benachbarte dritte Kultbau von Meharaqa (im Vordergrund) für Isis und Serapis wurde in römischer Zeit nicht beendet und war schon sehr zerfallen, als er auf die Rettungsliste kam.

Jenseits der gebahnten Touristenwege bietet die Wüste nicht nur kunsthistorisch sondern auch geologisch oder biologisch Interessantes. Auf dem Sand lagen dicken Brocken, die an vulkanische Schlacken mit geplatzten Gasblasen aus geschmolzenem eisenhaltigen Gestein erinnerten. Unter ihnen lauerten honigfarbene Skorpione.

Unter dicken Steinbrocken lauerten honigfarbene Skorpione

Verzaubert standen wir an der Reling in der Morgensonne und näherten uns langsam dem weithin erkennbaren Abu Simbel. Am Nachmittag ist wenig Betrieb, denn die Busse, die nachts von Assuan heranrollen, sind dann längst wieder weg. Sinnvollerweise dürfen die Reiseleiter nur vom Platz zwischen den Tempeln aus alles erklären, damit sie sich im Innern nicht überschreien müssen. Dann bekommen wir genug Zeit, um alles in Ruhe näher anzuschauen.

Da unser Schiff, die Omar El Khayam, noch einen weiteren Tag auf neue Passagiere warten musste, ergriffen wir die Möglichkeit einen Ausflug in die Stadt zu machen. Ausgangspunkt war das gemütliche Kabara“, ein nubisches Hotel aus Tonnengewölben bemalter Lehmziegel mit kleinen Zimmern um einen Innenhof. Der Wind rauschte durch die Sykomoren und im Schilf. Auch die Bauweise im alten Ortskern war bemerkenswert. Mit Freundlichkeit lud man uns zum Tee ein, obwohl Sprachprobleme einer echten Kommunikation einen Riegel vorgeschoben hätten. Barbiere liefen -begeistert über die Bärte der Mitreisenden- aus ihren Läden, der Bäcker zeigte sein Handwerk und wir kosteten seine Fladen, bevor wir uns in einer typischen Bar niederließen.

Frisch gebackenes Fladenbrot, direkt vom Bäcker

Von Qasr Ibrim, einer bedeutenden nubischen Stadt mit altägyptischen Tempeln, Garnison, Kloster, Gräbern und allem Drum und Dran, sieht man nur noch die Festung, die 1812 durch Kriegseinfluss zerstört wurde, aus dem Wasser ragen. Am letzten Haltepunkt erwarteten uns die Tempel von Amada, von Derr und ein Grab. Am ersten bauten Thutmosis III , sein Sohn Amenophis II.  und  Thutmosis IV., sein Enkel. Die koptische Übermalung schützte die gut erhaltenen Malereien. Da sie Gips als Untergrund haben, musste der Bau unzerteilt verschoben werden. Der Tempel von Derr von Ramses II. ist daneben teilweise in einen Berg hineingehauen. Das dritte Objekt an diesem Ort ist ein künstlicher Berg, der um das Grab des hohen Beamten Pennut aufgehäuft wurde. Sein Grab ist der einzige Rest der unternubischen Provinzhauptstadt Maam.

Lebende oder mumifizierte Krokodil-Exemplare sollen dem Haus Glück bringen

Unser Interesse am nubischen Leben war noch nicht gesättigt, also heuerten wir in Assuan einen Felukenfahrer aus Elephantine an, der uns bereitwillig durch sein Dorf führte. Viele Nubier wurden wegen des Stausees zwangsumgesiedelt. Sie versuchen ihre farbenfrohe Kultur zu erhalten, zu der auch Krokodile gehören. Lebende oder mumifizierte Exemplare sollen dem Haus Glück bringen. Im Nassersee sollen noch 40.000 leben. Gesehen haben wir kein Lebendes. Den Staudamm überwinden sie nicht.

Beim Spaziergang besuchten wir auch die Schule, auf deren Hof die Klassen mit jeweils ihrem Lehrer strammstanden, einer ausgerüstet mit Stöckchen, während Mitschüler Koranverse über Mikro vortrugen. Im Minicafe, das Tee, Körbe und Gewürze verkaufte, tranken wir Espresso und machten uns Gedanken über die unterschiedliche Wahrnehmung von Sauberkeit. Müll ist Einstellungssache. Was wir als wilde Kippe bezeichnet hätten, war ein schattiger Unterstand aus Schilf eines Gärtners, der hier komfortabel seine Nachmittagssiesta abhielt – buchstäblich auf einer Müllhalde. Marodes in der Nachbarschaft wird nirgends abgerissen, da es keinen stört. Es verfällt und wird mit Abfall verfüllt. Ein weites Feld für Erziehung.

 

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