Feierlaune an der Adria
von Dr. Bernd Kregel
Riminis Wandel zur Wellness-Hauptstadt

Sommerzeit bedeutet Strandvergnügen. Dabei zieht südlich der Alpen besonders die italienische Adriaküste das Interesse auf sich. Doch neuerdings hat sich der zu den berühmtesten Badestränden der Welt zählende Strandabschnitt um Rimini zugleich in einen respektablen „Wellness Beach“ mit einem unglaublich reichhaltigen Angebot verwandelt. Und zudem besinnt sich die gesamte Emilia Romagna auf ihr Potenzial als Genussregion, in der die Feierlaune nicht zu enden scheint.
Welt der Papagalli
Es war das goldene Zeitalter der Papagalli. Auf den ersten Blick waren dies sicherlich Männer von zweifelhaftem Ruf. Und doch verfügten sie über ein bemerkenswertes Charisma, gelang es ihnen doch stets, ohne Umschweife zur Sache zu kommen und ihren erwartungsvoll Schlange stehenden Strand-Bekanntschaften ein Stück Dolce Vita auf dem silbernen Tablett südlicher Sinnlichkeit zu servieren. Mit unverbindlichem Charme präsentierten sie sich dabei in der ungezwungenen Leichtigkeit passionierter Lebenskünstler.
Auch Zanza, so erinnert man sich hier, gehörte zu ihnen. Einst war er der ungekrönte König der Papagalli am Strand von Rimini, ein Mann, der die Klaviatur seines Handwerks virtuos beherrschte und dabei doch stets bescheiden blieb. Vielleicht war dies einer der Hauptgründe dafür, warum ihm seitens seiner Verehrerinnen die Sympathien nur so zuflogen und ihre Liebesbriefe nach eigenen Angaben bei ihm zuhause Kisten füllten. Aber auch er widerstand nicht der Versuchung, seine amourösen Erfolge anhand einer ausgeklügelten Punkteliste zu dokumentieren. Vor allem tat er dies wohl deshalb, soviel Eitelkeit musste sein, um die eigenen Erfolge in Sachen Intimität gegenüber der Konkurrenz überzeugend hervorzuheben.
Geheimnisse östlicher Körperlichkeit

Sicherlich war dies eine aufregende Zeit am oftmals geschmähten „Teutonengrill“. Doch war sie auch attraktiv genug, um ihr heute noch nachzutrauern? Wohl kaum. Ist es inzwischen doch längst gelungen, Alternativen an einem der berühmtesten Badestrände der Welt zu schaffen und diesen auf ganzer Länge in einen respektablen „Wellness Beach“ zu verwandeln. Dies geschah mit einem umfassenden ganzheitlichen Körperprogramm, an dem sich alljährlich 40 Strandbäder der Emilia Romagna mit insgesamt 1000 (!) Einzelveranstaltungen pro Saison beteiligen. Ein wahres Wellness-Eldorado, in das man täglich eintauchen kann.
Eines der Angebote ist die Yoga-Meditation am pulverfeinen Sandstrand von Rimini. Hier führt Gayatori Randi ihre Gäste täglich ein in die Geheimnisse östlicher Körperlichkeit, wie sie es einst in einem indischen Ashram von der Pike auf gelernt hat. Schon nach mehreren Übungen im sanften Licht der Morgensonne fühlt sich der Körper im ständigen Wechsel von Anspannung und Entspannung energetisch durchflutet von einem ungewohnt intensiven Wohlgefühl, das jeden aktiv Meditierenden tagsüber begleitet. So wird Rimini während der Sommermonate nicht zuletzt mit Gayatoris professionellem Beitrag zur angesagten Wellness-Hauptstadt Italiens.
Farbenprächtiges Lichterspektakel

Der Drang zur Neuerung hat inzwischen auch das kulturelle Leben der Region erfasst. So lädt die Stadt Rimini alljährlich ein zu „La Notte Rosa“. Jener rosaroten Nacht, in der sich die gesamte Innenstadt in eine Kulisse gediegener Festlichkeit verwandelt, zum Beispiel vor der schneeweiß leuchtenden Fassade des Grand Hotel di Rimini. So nennt sich der unlängst stilvoll renovierte Prachtbau, in dessen Räumlichkeiten das Erbe des Filmregisseurs Federico Fellini gepflegt wird, der in Rimini das Licht der Welt erblickte. Hier finden während der Feierlichkeiten die kulinarischen Köstlichkeiten der Region regen Absatz, angeregt durch die Klänge der Band von Francesco de Gregori, die von der Piazza Fellini eindringlich herüber schallen.
Die Feierlaune erstreckt sich von der Innenstadt bis hinunter zum Yachthafen. Hier drängt sich um das erleuchtete Riesenrad herum eine Vielzahl Schaulustiger, um sich punkt Mitternacht das Feuerwerk nicht entgehen zu lassen, dessen Vorboten bereits die gesamte Küstenlinie in ein farbenfrohes Lichterspektakel einhüllen. Zunächst nur zaghaft hatte alles vor wenigen Jahren begonnen. Und niemand vermochte damals zu glauben, so rückblickend Touristenführerin Helga, zu welchem Erfolgsrezept sich „La Notte Rosa“ bereits innerhalb kürzester Zeit entwickeln würde.
Hochstapler und Frauenheld

Demgegenüber fasziniert im Hinterland von Rimini das Erbe der Vergangenheit. Zum Beispiel die hoch über dem Tal der Marecchia gelegene Bilderbuchstadt San Leo. Einstmals war sie ein strategischer Ort für geschichtliche und militärische Wechselfälle im Machtkampf der sich feindlich gegenüberstehenden Fürstengeschlechter der Montefeltro und Malatesta. Dabei erwies sich als überragend im wahrsten Sinne des Wortes die Festungsanlage von San Leo, die in ihren kolossalen Ausmaßen noch heute wie eine Verlängerung des sie tragenden Felsens erscheint. Von ihren wehrhaften Mauern aus gibt sie den Blick frei auf die sanft rollende Hügellandschaft bis hinüber zu der Felskulisse der kleinen Republik San Marino.
Mit der Übernahme durch den Kirchenstaat wurde die Festung im Inneren allerdings zu einem drakonischen Gefängnis ausgebaut. Seine fluchtsicheren Zellen und besonders die unmissverständlichen Verhörräume lassen noch heute erschauern. Nur dem berühmtesten seiner Insassen, dem Alchimisten, Hochstapler und Frauenheld Graf Cagliostro gelang es mit seinem vielfach bewährten Charisma, den Gefängniswärter auf seine Seite zu ziehen. Dafür landete er in einem noch tieferen Verlies und wurde, ähnlich dem Grafen von Monte Christo, erst recht zu einer schillernden Person, mit dessen zwiespältigem Schicksal sich sogar Johann Wolfgang von Goethe literarisch auseinandersetzte.
Magie des Sangiovese

Zur Tradition gehört natürlich auch die Küche der Emilia Romagna. Wohl niemand beherrscht ihre Feinheiten so gut wie Giuseppina in der „Osteria Belvedere“ von San Leo. Virtuos knetet, walzt und rollt sie den Teig nach allen Regeln der Kunst zu einer hauchdünnen Masse, allein um daraus das pikante Piadina-Brot herzustellen, das in der Region zu fast jeder Mahlzeit serviert wird. Berühmt sind auch ihre den Spätzle ähnelnden Strozzapreti, die, übergossen mit einer sämigen Soße, schon fast als eigenes Hauptgericht gewertet werden können.
Dazu darf natürlich auch ein guter Wein nicht fehlen. Anregungen dazu finden sich in der nahe gelegenen Ortschaft Dozza. Hier sucht man nicht lange nach der in der ganzen Umgebung bekannten „Enoteca Regionale Emilia Romagna“. Hier schwört Weinkenner Marco Canè auf den „Sangiovese Riserva“, den er den Spitzenweinen seiner umfangreichen Weinsammlung zurechnet. Und zweifellos gibt ihm die von ihm geleitete Weinprobe durchaus Recht. Dies ist Grund genug, um sich anschließend beschwingt auf den Weg zu machen und in den Gassen von Dozza die illustren Wandmalereien entspannt auf sich wirken zu lassen. In der Tat begegnet hier eine Genussregion, in der die Feierlaune nicht zu enden scheint.
HIER GEHTS ZUR FOTOSTRECKE RIMINI:
Reiseinformationen “Rimini / Emilia Romagna”:
Anreise/Einreise
Günstig mit Lufthansa nach München, weiter mit Air Dolomiti nach Bologna; bis Rimini mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zur Einreise reichen ein gültiger Reisepass oder ein Personalausweis.
Reisezeit
Von Frühling bis Herbst überwiegen die touristischen Möglichkeiten, inklusive Ausflüge ins Hinterland.
„La Notte Rosa“: 30. Juli – 01. August 2021
Reisebüros
Reisen in die Emilia Romagna können in fast allen Reisebüros gebucht werden, z.B. Reisebüro An der Oper, Bonn, Kapuzinerstraße 11, Tel. 0228-9262698-0, www.rautenberg-reisen.de
Unterkunft
Rimini: Villa Adriatica, www.ambienthotels.it/villaadriatica; Grand Hotel, www.grandhotelrimini.com; Dozza: Albergo Canè, www.ristorantecanet.it;
Auskunft
Emilia Romagna Tourismus: www.emiliaromagnaturismo.com; Rimini Tourismus: www.riminiturismo.it; Hinterland von Rimini, San Leo und Pennabili: www.de.riviera.rimini.it;
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