Der „Lange Eugen“ in Bonn

Im Volksmund „Langer Eugen“ genannt (als Anspielung auf die geringe Körpergröße des ehemaligen Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier, in dessen Amtszeit das Haus entstand), wurde das 114 Meter hohe Gebäude 1966-69 nach Plänen des Architekten Egon Eiermann als Abgeordnetenhaus errichtet. Die Einweihung fand am 19. Februar 1969 statt.

Nach dem Umzug des Bundestages wurde das Gebäude in den Jahren 1999 – 2003 durch nationale und internationale Bildungseinrichtungen genutzt. Im Mai 2003 überließ das Bundeskabinett das Abgeordnetenhochhaus den Vereinten Nationen zur dauerhaften Nutzung. Der sogenannte Lange Eugen enthielt einst die Büros der Bundestagsabgeordneten. Heute beherbergt das inzwischen denkmalgeschützte Gebäude siebzehn Organisationen der Vereinten Nationen. Statt um deutsche Politik dreht sich in dem Hochhaus nun alles um Vögel, Fledermäuse und jede Menge Klima: Die größte Einheit bildet das Weltklimasekretariat mit 500 Mitarbeitern. Weitere dort ansässige Einrichtungen koordinieren zum Beispiel Strategien zur weltweiten Katastrophenvorhersage oder dienen dem Erhalt afrikanisch-eurasischer Wasservögel und europäischer Fledermauspopulationen. Auch das Internationale Zentrum für Berufsbildung und das Institut für Nachhaltigkeit und Frieden haben ihren Sitz auf dem Bonner UN-Campus, zu dem außerdem das ehemalige Abgeordnetenhaus sowie das Haus Carstanjen gehören.

Lage
Das Abgeordneten-Hochhaus des Deutschen Bundestages – bekannter unter dem Namen „Langer Eugen“ – steht im Parlaments- und Regierungsviertel in der Gronau in unmittelbarer Rheinlage und benachbart zu anderen Bundesbauten wie „Wasserwerk“ und Bundeshaus. Das Gebäude liegt frei an der leicht ansteigenden Hermann-Ehlers-Straße, vom Rhein aus durch Baumbewuchs am Ufer im Untergeschoss verdeckt. Als markanter Akzent mit Wahrzeichencharakter hebt sich der Bau mit seinen 32 Stockwerken über die nähere und weitere Umgebung als Solitär ab.

Baugeschichte
1961 begannen die Planungen für ein umfassendes Bauprogramm für die Bundesbauten in Bonn, da die Dezentralisierung von Bundesbehörden und räumliche Enge ein effektives Arbeiten nicht mehr gewährleisteten. Da die hochsensible Angelegenheit vom Ausbau des Regierungssitzes dem Provisoriumscharakter Bonns als Hauptstadt widersprach (vgl. Baustoppgesetz von 1956), verzichtete der Bundestag auf einen öffentlichen Wettbewerb und vergab das Bauvorhaben direkt. Johannes Rossig, Ministerialdirektor im Bundesschatzministerium, beauftragte die renommierten Architekten Egon Eiermann, Paul Baumgarten und Sep Ruf mit der Erarbeitung einer Gesamtkonzeption für den Regierungssitz Bonn. Dabei stand im Vordergrund, dass das Wesen der Demokratie den baulichen Maßnahmen Rechnung zu tragen hätte (Arndt, 1965). Die Grundstücksverhandlungen gestalteten sich nicht ohne Probleme und hatten auch Einfluss auf die Planung (Streuung oder Konzentration der Bundesbauten). Schließlich entzündete sich die Diskussion um Hoch- oder Flachbau des Abgeordneten-Hauses, wobei Eiermann sich zunächst gegen ein Hochhaus wehrte und verschiedene Alternativ-Entwürfe erarbeitete, während der Bundestag unter der Präsidentschaft von Eugen Gerstenmaier dem Hochhaus den Vorzug gab (daher die Bezeichnung im Volksmund „Langer Eugen“). Schließlich ließen die Konditionen des Grundstückserwerbs durch die drastische Reduzierung keine Alternative zum Hochhaus mehr zu (zur Debatte Hoch- oder Flachbau siehe die ausführliche Darstellung in der Magisterarbeit von Butt 1995, S. 11-15).

Blick auf den „Langen Eugen“ das Abgeordnetenhochhaus in Bonn

Im März 1965 wurde der Auftrag für die Erstellung des Entwurfs und die künstlerische Oberleitung an Egon Eiermann vergeben. Im Planungsauftrag wurde wegen des provisorischen Charakters von Bonn die Klausel aufgenommen, das Gebäude zu einem eventuell späteren Zeitpunkt auch für andere Zwecke nutzbar zu machen. Eiermann sagte im Bonner General-Anzeiger vom 20.10.1965 dazu: „Wenn ich eine Universität zu planen hätte, würde ich sie ungefähr so bauen, wie das vorliegende Projekt“, und weiter „Die geplanten Sitzungssäle sind herrliche Hörsäle, die Abgeordnetenräume können als Institutsräume und Seminare genutzt werden, ein Plenarsaal schließlich ist ein herrliches Auditorium Maximum“. Der Vorstand des Deutschen Bundestages schlug für den Fall der Übersiedlung der Regierung nach Berlin das Hochhaus für Zwecke internationaler Körperschaften oder eine Militärakademie der NATO-Kräfte in Europa vor (vgl. Butt 1995, S. 16).
Die Grundsteinlegung am 29. August 1966 machte endlich den langwierigen Planungen und Debatten ein Ende. Das Richtfest wurde am 10. Mai 1968 gefeiert und am 29. Februar 1969 zogen die ersten Abgeordneten ein. Für die übrigen Abgeordneten und die Ausschüsse zögerte sich der Einzug noch bis zum 1. November 1969 hin. Unter Willy Brandt wurde die Ausführung der anderen geplanten Regierungsbauten gestoppt.

Aufgrund eines beauftragten Brandschutzgutachtens von 1972 erfolgte 1975 der Einbau von Glastüren in allen Bürogeschossen und die Einrichtung einer Notlandeplattform auf dem Dach. 1977 wurde schließlich der im Gutachten angeregte Bau eines Fluchttreppenhauses beschlossen, der, wiederum nach heftigen Debatten, 1979 von der Planungsgruppe Stieldorf unter Georg Pollich an der Rheinseite des Hauses ausgeführt wurde. Pollich war seinerzeit an der künstlerischen Leitung des Abgeordneten-Hochhauses beteiligt.
Die Eingangssituation wurde 1976 umgestaltet, indem man die Drehtüren entfernte und durch eine Panzerglas-Sicherheitsschleuse ersetzte. Im gleichen Zuge wurde der Rundtresen aus der Eingangshalle entfernt. In den 1980er Jahren wurden neue Anlagen zur Verbesserung des Raumklimas und der Akustik in den Ausschußsälen installiert, die einen Eingriff in das Raumkonzept Eiermanns darstellen. 1989 schließlich wurden die Aufzüge umgebaut.

Architektur

Die je nach Angaben zwischen 114 und 117 Meter Gebäudehöhe – bestehend seit Installation einer neuen Klimatechnik auf dem Dach im September 2003 – verteilen sich auf 30 Geschosse, ferner bestehen drei Untergeschosse. Zur Zeit der Nutzung durch den Bundestag beherbergten die Obergeschosse 3 bis 17 jeweils 30 Büroräume für 446 Abgeordnete. Die weiteren Geschosse 19 bis 28 beanspruchten die Ausschüsse, die dort in Sitzungssälen, Büro- und Konferenzräumen arbeiteten. Technische Einrichtungen für den Gebäudebetrieb waren bzw. sind in den Geschossen 18 und 30 untergebracht, das 29. und damit das oberste Geschoss bot einem Restaurant Platz.

Das Tragwerk des Hochhauses besteht komplett aus Stahl. Das stellt für (mittel-)europäische Verhältnisse eine große Besonderheit dar, denn hierzulande werden Gebäude üblicherweise aus Beton errichtet. Aus diesem Grunde ist der Lange Eugen auch das höchste Stahlgebäude in Deutschland, obwohl er in der Liste aller Wolkenkratzer in Deutschland nur Platz 44 einnimmt. Seit der Modernisierung sind insgesamt 410 Büroräume vorhanden. Für kleinere Tagungen stehen 36 Besprechungs- und 4 Konferenzräume zur Verfügung. Daneben gibt es eine Bibliothek.

Beschreibung:
Bauzeit: 1966/69
Bauherr: Bundesrepublik Deutschland
Architekt: Egon Eiermann (Georg Pollich)
Gesamtplanung: Bundesbaudirektion, Berlin

 

Sepp Spiegl

- ANZEIGE -