Sehnsüchte in der Zeitenwende

Es hat friedlichere vorweihnachtliche Tage in der Welt gegeben. Die letzten Reste der regelbasierten Weltordnung drohen zu verblassen, in der neuen Sicherheitsdoktrin von US-Präsident Trump wird die Europäischen Union zum strategischen Gegner herabgestuft, unverblümt wird die Macht des Stärkeren zum entscheidenden Parameter von Außen-und Sicherheitspolitik reklamiert.
In der Zeitenwende wächst die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, die oft verklärt wird, mit der aber auch die längste Periode von Frieden und Freiheit für die Deutschen verbunden ist. Nach dem Grauen der NS-Diktatur, dem monströsen Verbrechen des Holocaust und dem sinnlosen Töten im Zweiten Weltkrieg war es der erste Kanzler der jungen Bundesrepublik Deutschland, der die Republik beim Neuanfang in die internationale Völkergemeinschaft zurückführte , ihr Achtung und neue Freunde verschaffte.
Konrad Adenauer, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler, vier Jahre davon auch Außenminister, prägte nicht nur den Wiederaufbau der jungen Bundesrepublik, das deutsche Wirtschaftswunder fand Bewunderer auf der ganzen Welt, er war auch der Begründer der deutsch-französischen Freundschaft, stand für die Aussöhnung mit dem jüdischen Staat, trat als Transatlantiker entschieden für die Westbindung ein.
Wenn es in der aktuellen Politik so etwas wie einen „Adenauer-Kult“, also eine besondere Verehrung für die politische Klugheit des ersten deutschen Regierungschefs gibt, dann hängt das vor allem auch mit den europäischen Visionen des „Alten von Rhöndorf“ zusammen. Europa zu einen und stark zu machen, das war das Ziel des Rheinländers.
Immer mehr Politiker besinnen sich in diesen Tagen auf Adenauer. Für Ex-Außenminister Joschka Fischer, einst revolutionärer Straßenkämpfer, inzwischen elder statesman, ist Adenauer Maßstab für die Qualität eines deutschen Kanzlers, für den Schriftsteller Navid Kermani, Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels, ist der einstige Kampf gegen Adenauer“ Undankbarkeit.“
Zu Beginn es neuen Jahres hat die Nation die Chance, dem politisch durchsetzungsstarken Gründungskanzler ihre Reverenz zu erweisen. Der 4.Januar 2026 ist das Datum, an dem Adenauer vor 150 Jahren geboren wurde.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als „liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.



