Rezension von Dr. Aide Rehbaum

www.kreativ-schreibstudio.de

Stephan Malinowski: Die Hohenzollern und die Nazis

Stephan Malinowski © Manfred Thomas

Der Autor ist als ausgewiesener Experte nicht zuletzt für dieses Buch von den Anwälten der Familie, genau wie viele andere, die öffentlich vertreten, was der Familienlegende widerspricht, mit Abmahnungen und Gerichtsverfahren verfolgt worden. Jahrelang hat er sich durch das Quellenmaterial gegraben, die internationale zeitgenössische Presse und Hinterlassenschaften derjenigen durchforstet, die mit der Familie in entscheidendem Kontakt standen. Daraus formt er ein sehr anschauliches Bild einer Epoche unter dem Gesichtspunkt, inwiefern Kontakte zum Nationalsozialismus bestanden haben und ob das Ergebnis eventuelle weitere Entschädigungen rechtfertigen würde. Systematisch arbeitet der Autor heraus, wie die Familie ihre Geschichtsklitterung den jeweiligen Gegebenheiten anpasste.

Als Leser muss man an sich halten, um eventuelle Empörung zu unterdrücken. Da wird geschachert, geschleimt, unterdrückt und von den Geschwadern an PR-Beratern im Auftrag der gestürzten Monarchie auf Teufel komm raus Falschbehauptungen in die Welt gesetzt. Dagegen scheint dieser unerträgliche Ex-Präsident in USA ein Waisenknabe.

Die Söhne des Kaisers zeichnen sich anscheinend durch intellektuelle Schlichtheit aus: der Kronprinz ist ein Lebemann, der sich – mit Wissen seiner Frau! – unter Vermeidung jeglicher ernsthafter Beschäftigung, von Arbeit ganz zu schweigen, hauptsächlich seinen Seitensprüngen widmet und sich bei Gedenkveranstaltungen in historischen Maskeraden ins Bild zu drängen weiß. Lange Zeit war er sich nicht zu schade, sich durch Anbiederung an den braunen Pöbel wenigstens für eine Scheinarbeit mit Repräsentationswert als brauchbar anzudienen. Auf jeden Fall halfen er und andere Familienmitglieder dabei, die Weimarer Republik zu demontieren, während sich der Kaiser im Exil zunehmend mit Verschwörungstheorien und einer zweiten Ehe unmöglich machte. Anschaulich erzählt und analysiert Malinowski, wie die Hohenzollern die Medien auch im Ausland manipulierten, für die Nazis warben, von Mussolini begeistert waren und von monarchistischen und rechtsradikalen Kreisen gestützt wurden, Steigbügelhaltern, die sich natürlichselbst einen Vorteil davon versprachen. Die Hohenzollern bildeten sich ein, die Nazis für ihre Zwecke zu benutzen. Spätestens als der Krieg begann, waren sie aber zu unwichtiger Staffage verkommen. Am Ende ist von einem nennenswerten Widerstand bestenfalls hinter vorgehaltener Hand am Kaminfeuer auszugehen.

Daraus soll neuerdings Kapital geschlagen werden. Aktuell versuchen die früher herrschenden Gutsherren, ihr ramponiertes Image wieder aufzupolieren. Obwohl nach 1918 die ehemals mächtigste deutsche Sippe einen Bruchteil ihres Vermögens einbüßte (sie zwängten sich natürlich keineswegs in eine Etagenwohnung zur Miete) besaßen sie weiterhin Einfluss abseits von ihresgleichen. Nur lächerlich, dass sie noch immer auf ein symbolisches Kapital pochen, das doch nur im „Goldenen Blatt“ als Anachronismus Rückhalt hat, und bei in ihren Augen nicht standesgemäßen Ehen ein Prinzentitel abgesprochen wird. Es muss hart sein, der Eiertanz zwischen gestern und heute. Malinowski schreibt nüchtern-sachlich, aber so spannend, dass man dranbleibt. Das Buch ist lesenswert nicht nur für die, die bei dieser so wichtigen geschichtspolitischen Debatte mitreden wollen.

 

STEPHAN MALINOWSKI, geboren 1966 in Berlin, studierte und lehrte Geschichte in Berlin, Frankreich, Italien, den USA und Irland. Seit 2012 lehrt er Europäische Geschichte an der University of Edinburgh. Sein Buch Vom König zum Führer über den deutschen Adel und die NS-Bewegung wurde mit dem Hans-Rosenberg-Preis ausgezeichnet. Das Gutachten, das er im Auftrag des Landes Brandenburg 2014 erstellte, spielt in der Diskussion um die vom »Chef des Hauses« Hohenzollern geltend gemachten Restitutionsansprüche eine wichtige Rolle.

 

  • Propyläen Verlag
  • Hardcover mit Schutzumschlag
  • 752 Seiten
  •  
  • ISBN: 9783549100295
- ANZEIGE -