Die Brücke von Remagen
von Sepp Spiegl
Gegen Kriegsende 1945 stoßen die Alliierten nach Deutschland vor. Viele Rheinbrücken sind zerstört – aber noch nicht die von Remagen. Nun wurde die weltberühmte Brücke am 15.August 100 Jahre alt. Was ist von ihr geblieben?
Eine der erstaunlichsten Geschichten des Kriegsendes im Westen hat sich an der Brücke von Remagen abgespielt. Die letzte nicht von den Deutschen gesprengte Rheinbrücke wurde von der US-Army erobert und für einen raschen Vormarsch auf die rechte Rheinseite genutzt. Das hat den Krieg an Rhein und Ruhr um Wochen verkürzt.
Brücke der Entscheidung

Mitten im Ersten Weltkrieg hatten die kaiserlichen Offiziere die 325 Meter lange Eisenbahnbrücke über den Rhein schlagen lassen: Mit ihrer Hilfe sollte der Druck gegen Frankreich weiter verstärkt werden. Doch das Bauwerk wurde erst gegen Kriegsende fertig.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieges zogen 1918 die Alliierten über die Ludendorff-Brücke, um das Rheinland zu besetzen. Danach verlor sie ihre Bedeutung, blieb aber als Verbindung zwischen beiden Ufern wichtig: So soll sie mit ihrem Fußgängersteg die Zahl der Heiraten zwischen Remagen und Erpel erhöht haben.
Der Ludendorff-Brücke in Remagen wurde im Zweiten Weltkrieg weder von der Wehrmacht noch von den alliierten Truppen große strategische Bedeutung beigemessen. Buchstäblich über Nacht verwandelte sich die Brücke dann zu einem der entscheidenden Schauplätze des Kriegsendes. Am 7. März war die 1. US-Armee bereits in unmittelbarer Nähe. Ein Teil der Bevölkerung von Remagen und Erpel suchte in dem Eisenbahntunnel Zuflucht, der sich rechtsrheinisch an die Brücke anschloss. Der deutsche Kommandant wollte so früh wie möglich sprengen. Dann aber änderte sich der Befehl: Die Brücke sollte nun so lange wie möglich gehalten werden, damit noch möglichst viele deutsche Soldaten mit ihren Panzern und Artilleriegeschützen auf dem Rückzug die Brücke überqueren konnten.
Am 7. März 1945 stellte die von Westen nahende 9. US-Panzerdivision überrascht fest, dass die Brücke von Remagen noch intakt war; wenig später begann der alliierte Angriff. Der deutsche Major Hans Scheller gab zwar am selben Tag den Sprengbefehl. „Aber es war schwächerer und weniger Sprengstoff geliefert worden als geplant“, berichtet sein Sohn Gert Scheller. „Die Sprengung funktionierte nicht, wodurch es den alliierten Truppen ermöglicht wurde, den Rhein zu überqueren und ihren Vorstoß ins „Herz Deutschlands“ zu beschleunigen. Innerhalb von 24 Stunden überquerten 8.000 amerikanische Soldaten den Rhein.

So konnten Tausende GIs den Rhein queren, was alliierten Truppen im September 1944 in Arnheim noch misslungen war. Das ging als „Wunder von Remagen“ vor allem in die US-Geschichte ein. General Dwight D. Eisenhower oder jemand aus seinem Stab soll gerufen haben: „Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert.“
Später, nach der US-Eroberung der Flussquerung trachteten die Nazis danach, auch mit V-2-Raketen den Übergang in die Luft zu jagen – ebenfalls vergebens. Zuvor hatten sie wegen der Alliierten schon zahlreiche andere Rheinbrücken zerstört.
In Deutschland geriet die Geschichte der Brücke lange Zeit in Vergessenheit. Die Brücke wurde nicht wieder aufgebaut, sie hatte keine Bedeutung mehr nach dem Krieg. Ihre Fundamente blieben bis 1978 im Rhein stehen. Die langjährigen Bürgermeister von Remagen und Erpel erkannten das schlummernde Potenzial in der Geschichte und den Ruinen. Beide haben über viele Jahre akribisch Zeitzeugen gesucht, befragt und die Aussagen dokumentiert. Aus dem Verkauf kleiner Steine des Fundaments hat sich das Friedensmuseum Remagen in einem der beiden erhaltenen Brückentürme finanziert. Dort und im Theater im ehemaligen Eisenbahntunnel in Erpel wird heute an die Geschichte der Brücke erinnert.

Das Friedensmuseum in Remagen:
Durch zahlreiche Berichte in den Medien und einen Spielfilm wurde die „Brücke von Remagen“ zum Mythos. Anhand von Fotos und Dokumenten wird den Besuchern die dramatische Geschichte der Brücke eindrücklich geschildert. Der Schrecken des Bombenkrieges für die Zivilbevölkerung von Remagen wird durch einmalige Fotos von Hilmar Pabel festgehalten. Viele der Ausstellungsstücke wurden von Beteiligten zur Verfügung gestellt.
Wenige Wochen nach den Ereignissen um die „Brücke von Remagen“ wurden in Remagen und Sinzig von der US-Army riesige Durchgangslager für Kriegsgefangene eingerichtet. Zwischen April und Juli 1945 vegetierten hier mehr als 300.000 deutsche Gefangene. Ein Ausstellungsraum zeigt diesen Aspekt des Krieges.
Eine umfangreiche Dokumentation der mehr als 200 Kriege seit 1945 und eine Sammlung von Zitaten zum Thema Krieg und Frieden regt die Besucher zum Nachdenken an.
Öffnungszeiten:
7. März bis 15. November täglich 10-17 Uhr, Mai bis Oktober täglich 10-18 Uhr und auf Anfrage. Tel. +49 2642 9059924
Kosten:
Erw. 3,50 €, Eltern mit Kindern 7,- €, erm. (Jugendl., Studenten, Behinderte) 1,- €, Gruppen (ab 10 Pers.) 2,50 €/Pers.; Führung: 50,- € nach Voranmeldung unter Tel. +49 2642 9059924
https://youtu.be/__K-Lp0cLio