Das Integrations-Paradox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
Aladin El-Mafaalani, Das Integrations-Paradox. Warum gelungene Integration zu mehr Konflikten führt
Der Autor analysiert die Bedingungen einer offenen Gesellschaft und betrachtet die Entwicklung seit den 50er Jahren. Der Untertitel macht stutzen, weil wohl die meisten mit gelungener Integration konfliktfreiere Bilder verbinden. Warum klaffen subjektives Empfinden und Anspruch auseinander? Die gute alte Zeit erscheint nur deshalb manchen besser als die Gegenwart, weil sie damals als Kinder verantwortungsfrei in den Tag hineinlebten und von Problemen außerhalb der Familie wenig mitbekamen. Alternativen gab es keine. Internationaler Migrationshintergrund verlangt noch größere Anstrengungen als innerdeutscher, der nach dem Zweiten Weltkrieg ja auch schwierig war, obwohl damals die Gesellschaft noch relativ homogen war.
Um es vorwegzunehmen: Das Buch sollte Pflichtlektüre für Politiker werden. Dass die steigenden Konflikte, auf die sich die Medien stürzen, ganz normal sind, verdeutlicht El-Mafaalani mit einem einleuchtenden Bild. Die ersten Gastarbeiter, denen nichts im Hinblick auf Integration geboten wurde, weil man glaubte, sie seien nur befristet hier, waren froh über Arbeit. Sie saßen gewissermaßen zum Essen auf dem Boden und beobachteten anspruchslos die Alteingesessenen. Ihre Nachkommen begannen am Tisch zu sitzen, sprachen Deutsch und betrachteten sich als Teil der Gesellschaft. Die dritte Generation will aber mitbestimmen, was auf den Tisch kommt. Deshalb steigt der Redebedarf, der von jedem Anpassung verlangt.
Es geht dabei um soziale Positionen. Auf einmal fühlen sich die einheimischen Verlierer, denen Flexibilität und Motivation aus welchen Gründen auch immer fehlt, überholt von den zugewanderten Aufsteigern. Diese Zu-Kurz-Gekommenen und Verunsicherten sind es vor allem, die Altes zementieren wollen.
Der Autor durchschaut Mechanismen, kann aber auch keine schnelle Lösung anbieten. Er plädiert für eine Streitkultur. Einerseits fehlen in der offenen Gesellschaft feste Regeln, anstrengend ist das selbst Erarbeiten eines Orientierungsrahmens, der wandelbar bleiben muss. Es kann nicht angehen, lang erkämpfte Freiheiten aufzugeben, um es Zuwanderern leichter zu machen. Zwar müssen wir die Vergangenheit im Gedächtnis behalten, aber eine Zukunft will erkämpft sein. Nie ging es uns besser als heute, das würden auch die Ewiggestrigen einsehen, wenn sie sich mal wirklich mit der Geschichte auseinandersetzen würden und nicht nur diffusen Gefühlen folgen.
KiWi-Paperback
ISBN: 978-3-462-05164-3
Erschienen am: 16.08.2018
240 Seiten, Klappenbroschur
Aladin El-Mafaalani, 1978 im Ruhrgebiet geboren. Er studierte in Bochum Politikwissenschaft, Soziologie, Wirtschaftswissenschaft und Arbeitswissenschaft. Zunächst war er Lehrer am Berufskolleg Ahlen, später Professor für Politikwissenschaft und politische Soziologie an der Fachhochschule Münster. Seit 2018 arbeitet er im nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf.