Eine gefangene Frau

Ungarn Deutschland 2017 Dokumentarfilm

Anfangs wollte Regisseurin Bernadett Tuza-Ritter nur einen fünfminütigen Kurzfilm über Marish drehen, weil sie von deren Gesicht fasziniert war. Doch dann kam sie ihrem Martyrium auf die Spur. “Eine gefangene Frau” ist ein erschütterndes Dokument über moderne Sklaverei mitten in Europa.

Anderthalb Jahre begleitete TuzaRitter ihre Protagonistin bei der Sklavenarbeit in einem ungarischen Mittelstandshaushalt. Marish, die in Wahrheit Edit heißt, ist Anfang 50, sieht mit ihren tiefen Falten und dem eingefallenen Mund aber aus wie 90. Die Zähne hat ihr der vorherige “Arbeitgeber” ausgeschlagen. Eta, bei der sie seit zehn Jahren ohne Lohn schuftet und von der sie außer Tabak für die selbstgedrehten Zigaretten nur Essensreste bekommt, hat den Filmarbeiten – gegen Bezahlung – zugestimmt. Weil sie stolz ist, dass sie sich eine Bedienstete leisten kann und weil sie keinerlei Unrechtsbewusstsein hat.

Bei über 20-Stunden-Arbeitstagen erhält Marish keinen Arbeitslohn, wird menschenunwürdig behandelt, hat kein Bett, bekommt nur Essensreste und darf das Haus nur mit ausdrücklicher Erlaubnis verlassen. Ihre Ausweispapiere nahmen ihr die Unterdrücker weg, weswegen Flucht kaum möglich ist. Das Leben der 52-Jährigen besteht aus Angst und dem Traum, ihr eigenes Leben wiederzubekommen. Erst die Anwesenheit einer Filmemacherin lässt in ihr den Entschluss reifen, der unerträglichen Unterdrückung zu entfliehen. Während der zwei Drehjahre beginnt Marisch zu erkennen, dass sie nicht vollkommen alleine ist und fasst langsam Vertrauen. Sie schöpft Kraft und nimmt ihren ganzen Mut zusammen, um nach einem Jahrzehnt endlich einen Plan zu schmieden: Die Ungarin will fliehen.

Doch Tuza-Ritters Film ist am Ende auch ein großartiges Hoffnungssignal: Während der Dreharbeiten, die sich über einen Zeitraum von zwei Jahren hinzogen, gewann die Filmemacherin das Vertrauen der zutiefst eingeschüchterten Sklavin. Am Anfang des Filmes sagt Marisch noch: „Da, wo ich bin, ist das Glück nie.“ Da weiß sie noch nicht, dass Tuza-Ritter mit ihrer Empathie und Solidarität für sie zur Glücksgöttin werden wird. Die Menschlichkeit der Filmemacherin aktiviert in ihr den letzten und verschwindend kleinen Zipfel an Selbstwertgefühl und langsam beginnt sie, das Undenkbare tatsächlich zu denken: Dass eine Flucht vielleicht sogar gelingen könnte, auch wenn sie nur ihren letzten Monatslohn in der Tasche hat.

Zitternd vor Angst und mit Tuza-Ritter an der Seite wagt Marisch schließlich den Schritt in die Freiheit und findet schließlich sogar doch noch ihr Glück. Ihren Sklavennamen Marisch hat die Gerettete inzwischen abgelegt. Heute heißt sie Edith, und hat damit den Namen, der ihr von den Eltern gegeben wurde.

So laut der Jubel ausfallen mag, der darüber angestimmt werden muss, so bedrückend ist der Umstand, dass es immer noch sehr viele Marischs gibt: Weltweit gelten 45 Millionen Menschen als Gefangene der modernen Sklaverei, davon allein 1,2 Millionen Menschen in Europa, also mitten unter uns.

Allein in Deutschland leben Schätzungen zufolge 16 000 Menschen in moderner Sklaverei.

Kinostart:

 

Regie

  • Bernadett Tuza-Ritter
     

Drehbuch

  • Bernadett Tuza-Ritter
     

Kamera

  • Bernadett Tuza-Ritter
     

Schnitt

  • Bernadett Tuza-Ritter
     

Musik

  • Csaba Kalotás
     

Produktionsfirma

  • Éclipse Film (Budapest)
     

Produzent

  • Julianna Ugrin
     
  • Viki Réka Kiss
     

 

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