Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Philipp Schwenke: Das Flimmern der Wahrheit über der Wüste

© Urban Zintel

Schwenke nimmt die Biographie Karl Mays zum Thema. Im Gymnasium wurde Karl May von Deutschlehrern verteufelt und nach der Lektüre schlimmste Spätfolgen für das Gehirn prophezeit. Dennoch ist der Volksschriftsteller mit fiktivem Doktortitel aus dem sächsischen Radebeul über 100 Jahre nach seinem Tod lt. Unesco der am häufigsten übersetzte deutsche Schriftsteller. Vor seiner Karriere war dieser Longsellerautor Hilfslehrer und wurde mehrfach, aus Not begangener, Hochstapelei, Landstreicherei und Betrügereien überführt und bestraft. Die dadurch bewiesenen Talente waren offenbar gute Grundlage für sein PR-Gespür.

Aufgehängt ist der Roman an der einzigen wirklichen Reise, die May nach Ägypten und Sumatra als ganz unerfahrener Tourist unternahm, der prompt im Souk von Kairo von Verdauungsproblemen heimgesucht wird. Köstliche Situationskomik! Auf Schritt und Tritt stalken ihn Journalisten, teils als Fans, teils Skeptiker, die ihm auf die Schliche kommen wollen, um daheim Enthüllungsstorys zu veröffentlichen. Mays Zeitgenossen nahmen es ihm übel, wenn nachgewiesen werden konnte, dass seine Behauptungen, was er persönlich erlebt haben wollte, falsch waren. Er führte die Leser seiner Zeit bewusst in die Irre, in der Gewissheit, dass erstens nur die Wenigsten an die Schauplätze seiner Romane reisen, zweitens seine unglaublichen angeblichen Sprachkenntnisse überprüfen konnten. Heute hat kein Leser ein Problem mit seiner Phantasie, die mit gründlichen Recherchen in Reiseberichten einherging, wobei er Passagen daraus abschrieb.

Eng verzahnt ist die Geschichte mit den Eheproblemen der Mays, die vor allem im zweiten Teil das etwas zu ausführliche Schwergewicht bilden. Der Ruhm verblasst mit den späten Veröffentlichungen ohne Abenteuercharakter. Philip Schwenke vermittelt psychologisches Gespür, bleibt aber eine Erklärung schuldig, warum May an der eigenen Fiktion so lange festhielt, dass er selbst im Privatleben nicht davon lassen konnte. In einem sehr amüsanten und bildreichen Stil erfahren wir, wie um 1900 der Mythos May zu bröckeln begann. Als gelungenen Gag legt Schwenke dem Protagonisten ab und an – der momentanen Situation völlig widersprechende- Zitate aus dessen Abenteuerromanen in den Mund und zeigt damit die Entstehung der literarischen Fiktion. Ein gelungenes Erstlingswerk.

 

Verlag: KiWi-Taschenbuch

  • 608 Seiten
  • ISBN: 978-3-462-05420-0
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