Ausgeflippt und trendy
von Dr. Bernd Kregel
Maboneng als Hotspot der Lebensfreude
Unerwartet katapultiert sich ein Johannesburger Stadtteil an die Spitze südafrikanischen Lebensgefühls.

Das muss es sein, das nur schwer zu bändigende südafrikanische Lebensgefühl. An diesem Sonntagnachmittag hat es von der gesamten Dachterrasse Besitz ergriffen. Angefeuert durch die mitreißenden Klänge aus den Lautsprecherboxen, deren hämmernde Rhythmen schon in kürzester Zeit dazu beitragen, die vor der Rooftop-Bar geparkten Füße in ruhelose Bewegung zu versetzen. Bis diese in aufgeheizter Atmosphäre zuweilen kurz davor stehen, den Bodenkontakt zu verlieren und die Besucher mit entsprechender Schubkraft in die Leichtigkeit des Seins hinauf zu katapultieren.
Umgeben von einem Publikum, das in aufreizender aber doch nicht übertrieben wirkender modischer Eleganz ebenfalls darauf bedacht ist, seiner zum Bersten aufgestauten Lebensfreude Ausdruck zu verleihen. Hoch über den Dächern von Johannesburg, jener Stadt im Aufwind, die seit der geduldig erkämpften Unabhängigkeit Südafrikas vor gut zwanzig Jahren nicht mehr wiederzuerkennen ist. Mit ihrer Hochhauskulisse, wie sie sich seit der Fußballweltmeisterschaft im Gedächtnis eingeprägt hat. Und der hier vorherrschenden ausgelassenen Stimmung, die die schweren Zeiten der Apartheid um Meilen hinter sich gelassen hat.
Vielschichtiges Lebensgefühl
Besonders im Stadtteil Maboneng hat sich ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Ausgeflippt und trendy nicht nur in luftiger Höhe der Dachterrasse, sondern auch auf den schachbrettartig angelegten Straßen zwischen der Marshall- und Commissioner Street. Allen voran die Main Street, in der herausgeputzte Menschen, zumeist Jugendliche, Selfie-knipsend in kleinen Gruppen zusammenstehen und sich amüsieren. Und sich dabei auch für Fotos von Besuchern dieses Minikosmos selbstbewusst in Pose bringen.

An solchen Tagen fröhlicher Ausgelassenheit wirken selbst die Fassaden von Maboneng wie die Kulissen eines aufgelockerten Lebensgefühls. Einerseits das etwas herunter gekommene Cosmopolitan Hotel, das in seiner äußeren Verspieltheit immer noch den Geist des viktorianischen Zeitalters atmet. Und dann wieder, nur wenige Blocks entfernt, das über viele Stockwerke sich erstreckende Porträt Nelson Mandelas. Symbol des Widerstands in kämpferischer Pose. Eine Warnung an alle, die es wagen sollten, sich dem Freiheitswillen des Volkes nach all den Jahren der Unterdrückung erneut entgegen zu stellen?
Kunstvolle Frisuren
Des Volkes wahrer Himmel findet sich in Maboneng jedoch zweifelsohne im Bereich des Marktes. Angefangen mit „Arts on Main“, einem Treffpunkt, der vom Kunstinteressierten bis zum Souvenirjäger jeden in seinen Bann zieht. Zugleich der Versammlungsort für alle Ausgeflippten , die in modischer Hinsicht offenbar schon alles ausprobiert haben. Besonders die Damen, die mit ihren kunstvollen Frisuren nach stundenlanger Geduldsprobe um die größte Anzahl fein geflochtener und kunstvoll angeordneter Zöpfchen zu wetteifern scheinen. Geradezu ein Eldorado für Haarästhetik auf Südafrikanisch.

Doch der Bogen der Entdeckungsmöglichkeiten ist noch wesentlich weiter gespannt. Vom „Che Argentine Grill“ in der Fox Street, einst entstanden aus einem Empanadas-Marktstand. In einem Licht durchfluteten Gebäude, das gerade in seiner architektonischen Stahlträger-Schlichtheit sein beabsichtigtes Fabrikhallen-Image selbstbewusst zur Schau stellt. Bis hin zum „Curiocity Backpackers“ um die Ecke, in dessen entspannter Atmosphäre sich Stadtteilführer Bheki offenbar am wohlsten fühlt. „Schwere Billardtische, eine gediegene Bar und elegant herausgeputzte Barbesucher – was braucht man mehr?“ verrät für Sekundenbruchteile sein Blick.
Kunstvolle Graffiti
Oder geht es im Niveau nicht doch noch einen Zacken höher? Wie zum Beispiel im modernistisch eingerichteten „Chalkboard Collaboration Café“, dessen Durchreiche einem riesigen Schwarzweißfoto zum Verwechseln ähnlich sieht? Oder, ebenfalls im Main Street Life Building, „The 12 Decades Hotel“? Eine ausgesprochen stilvoll gestaltete Nobelherberge, die jedem Jahrzehnt der Geschichte Johannesburgs von 1886 bis 2006 jeweils ein eigenes Zimmer widmet. Ausgestaltet von Architekten und Künstlern, angeboten jedoch zu erstaunlich zivilen Preisen.

Doch wohin auch immer die Schritte führen in dieser Stadt in der Stadt: Stets begegnen die kunstvollen Graffiti, die von den Mauern und Hausfassaden in die Straßenschluchten herunter leuchten. Vor allem ist es ein Graffiti von Falko, dem inspirierten „Godfather“ aller Graffiti-Künstler, wie Bheki anerkennend bemerkt. Und schon verweist sein ausgestreckter Arm auf das in vier diagonale Felder einer Hausfassade eingearbeitete Porträt, dessen gigantische Augen eine unglaubliche Natürlichkeit und Lebendigkeit ausstrahlen.
Südafrikanische Nacht
Die Faszination überlagert fast die Erkenntnis, dass gegen Abend längst die Dämmerung die Lichtregie in Maboneng übernommen hat. Wenn die Schatten der Dunkelheit unmerklich und doch unaufhaltsam an den umliegenden Hausfassaden nach oben kriechen. Schon machen die Tagesgäste all denjenigen Platz, die beabsichtigen, in Maboneng eine heiße südafrikanische Nacht zu verbringen. Doch das ist schon wieder ein neues Kapitel im Rhythmus dieses aufregenden Stadtteils.
HIER GEHTS ZUR FOTOSTRECKE MABONENG:
Reiseinformationen “Südafrika”:
Anreise
Günstig mit South African Airways (SAA) täglich nonstop und über Nacht von Frankfurt oder München nach Johannesburg, www.flysaa.com;
Einreise
Es genügt ein noch mindestens 6 Monate gültiger Reisepass. Ein Visum ist nicht erforderlich.
Reisezeit
Südafrika kann grundsätzlich ganzjährig bereist werden. Als klimatisch am günstigsten erweisen sich die Monate März bis Mai; im Februar kann es sehr heiß werden.
Reiseveranstalter
Abendsonne Afrika: www.abendsonneafrika.de; FTI: www.fti.de; Chamäleon: www.chamaeleon-reisen.de; DERTOUR: www.dertour.de; Meier‘s Weltreisen: www.meiers-weltreisen.de
Unterkunft
Curiocity Backpackers, 302 Fox Street, Maboneng, www.curiocitybackpackers.com; The 12 Decades Hotel, Main Street Life, www.urbanhiphotels.com
Auskunft
South African Tourism, Friedensstraße 6-10, 60311 Frankfurt, Tel. 069-929 129 – 0, Fax -50; kostenfreie Service-Nummer: 0800118 9 118; www.dein-suedafrika.de
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