A.R.Penck: Kreative Jahre in Bonn
Zwischen 1991 und 1999 war A.R.Penck – bürgerlich Ralf Winkler – regelmäßiger Gast in Bonn. Niemand im „großen“ Kunstbetrieb in Berlin oder in Köln wußte, daß die Bennauerstraße in Bonn mit der Galerie Wierny sein Anlaufpunkt war. Hier arbeitete er ausgesprochen produktiv und vor allem ungestört.

Nur wenige enge Freunde wussten, dass er sich mehrmals im Monat in der Bennauerstrasse aufhielt: denn hier konnte er in Ruhe und ungestört arbeiten, hier konnte er – wenn auch nur kurz ausruhen. Seine künstlerischen Fähigkeiten hatte er in den Jahren zuvor schon längst mit der Teilnahme an der Documenta und seiner Professur in Düsseldorf nachgewiesen. Nun befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität/Berühmtheit mit all den negativen
Begleiterscheinungen. Das „Exil“ in Bonn kam wie gerufen und bot ihm immer wieder Auszeiten.
Es gab keine Presse, keine Fotografen, keine „klugen“ Gespräche mit sog. Kunstsachverständigen. Er konnte ungestört ins „La Riviera“ Ecke Jagdweg/Reuterstrasse gehen. Noch heute hängt ein handsigniertes Plakat in der Pizzeria.
Und natürlich baten die Chefs Enzo und Raffaele den weltbekannten Künstler seine Rechnung – à la Picasso – mit einer Zeichnung auf der Papiertischdecke zu bezahlen. Entspannen konnte er damals auch beim Billard im „Havanna“ in der Clemens-August-Strasse.
A.R.Penck hinterließ auch dort seine Spuren: die Getränkekarte mit einer Zeichnung von Fidel Castro war der Stolz des damaligen Besitzers Bodo Herff. Die intensivsten Spuren dieser Jahre hinterließ er ohne Zweifel in der Bennauerstrasse in der Galerie Wierny.
Die Zusammenarbeit zwischen Ralf Winkler und Peter Wierny begann 1990/91. Die Bekanntschaft mit Sascha Anderson führte zum Besuch einer Vernissage, Anderson stellte dort die Verbindung her. Es folgte die Einladung von A.R.Penck zur Einweihung des neuen Ateliers in der Gerichtsstrasse im Wedding: eine vollkommen neue Welt mit all den Dichtern und bildenden Künstler, die vor allem aus Dresden nach Berlin kamen (Anderson war zu diesem Zeitpunkt noch ein angesehener Kopf der „Ost“- Kunstszene).
An diesem Abend gab es einen langen Austausch, das erste Geschäft (2 Keramikteller) und die Verabredung zu weiteren Treffen. Seine Aufenthalte in Bonn begannen Ende 1990. So entstanden die ersten Siebdruckeditionen. In den folgenden Monaten und Jahren auch Kaltnadelradierungen, die er meist aquarellierte. Am Ende produzierte er in Bonn ca. 50 Editionen auf Papier und 5 Editionen von Stahlskulpturen.
Die 2. Etage in der Galerie in der Bennauerstrasse wurde damals zum Atelier. Hier entstanden viele Leinwände und Papierarbeiten. A.R.Penck hatte kein Problem sich beim Arbeiten mit Fotoapparat oder Videokamera beobachten
zu lassen: viele Jahre später griff er gerne auf diese Dokumentationen zurück als er, wie er sagte, sein Lebenswerk zu strukturieren und zu archivieren.
So gibt es in der Ausstellung ca. 120 nie veröffentlichte Fotos zu sehen, die den Künstler bei der Arbeit, aber auch ganz privat zeigen. Ende der 80er begann Peter Wierny die Plakate von A.R.Penck zu sammeln. Ziel war ein
Werkverzeichnis der Plakate zu veröffentlichen – ein Projekt, das der Künstler zunächst nicht ernst nahm: „Das schaffst Du nie“. Doch 2012 umfasste die Sammlung über 200 Plakate. Und jetzt wurde die Sammlung sehr interessant.
A.R.Penck erkannte, dass seine Arbeit von den 60ern bis 2012 bestens mit seinen Ausstellungsplakaten dokumentiert war – auch wenn die Sammlung nicht komplett war: vor allem fehlten Unikat – Plakate aus seiner Dresdner Zeit. Sie wurden in den Wohnungen von Freunden oder Kollegen aufgehangen, u.a. auch bei dem damals führenden Kopf der Künstlergruppen der DDR Sascha Andersen. Nach der Wende wurde Anderson in einer Aufsehen erregenden Rede von Wolf Biermann als IM enttarnt. Wirklich geächtet wurde Anderson damals von seinen „Freunden“ allerdings nie, viele wußten von seinem Doppelleben oder ahnten es. Ralf Winkler übernahm 2012 die komplette Plakatsammlung sowie unzählige Fotos und Videos, die seine Arbeit dokumentieren. Ebenso übergab Peter Wierny eine Sammlung von über 50 LP’s an den Musiker A.R.Penck: Es waren Dokumentationen auf Vinyl seiner Free Jazz Konzerte in der alten DDR und später im Westen. Er spielte auf diesen Platten Drums, Bass, Flöte und Klavier.
Die Konzerte bei den Ausstellungseröffnungen in der Bennauerstrasse wurden mitgeschnitten und von Peter Wierny auf CD produziert.
Die Ausstellung vom 26. November ist eine Dokumentation und Erinnerung an die jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen A.R.Penck und Peter Wierny.
Sie beinhaltet: ca. 120 unveröffentlichte Fotos, Siebdrucke und aquarellierte Radierungen der eigenen Editionen, Plakate, Beispiele seiner Arbeitsweise in Bild oder Objekt, Unikatdrucke, Drucke auf Leinwand, LP’s u.v.m.
Die Zusammenarbeit endete mit Ralf Winklers Tod im Jahr 2017.