von Richard Fischels

Anna Lapwood gab am 15. Juli 2025 zwei kostenlose Orgelkonzerte im Kölner Dom, die einen enormen Andrang auslösten und spontan um ein zweites Konzert erweitert werden mussten. Die Konzerte, die von der britischen Star-Organistin im Rahmen der Internationalen Orgelfeierstunden gegeben wurden, waren auch durch Social Media befeuert worden und begeisterten tausende Besucher.

 

Anna Lapwood spricht zu den Besuchern im Kölner Dom

Jetzt weiß auch ich: Die Orgelkonzerte im Kölner Dom zur Sommerzeit sind kein Geheimtipp mehr. Früher vielleicht einmal. Aber in diesem Jahr nicht. Schon gar nicht das Konzert von Anna Lapwood im Juli. Über 40000 Menschen wollten sie hören. Kurzerhand gab sie zwei Konzerte.

Tausende fanden keinen Platz im Dom, mussten enttäuscht den Heimweg antreten. In alle Herren Länder wohl. Die Dame ist schließlich eine internationale Größe. Über 1,4 Millionen Follower zählt Facebook. Ein grandioses Konzert. Sie zog gekonnt alle Register. Der Dom überstand auch die lautesten und klangvollsten Variationen moderner Filmmusik. Fast stoisch ließ er das virtuose Spiel über sich ergehen, selbst der ungewohnt begeisterte Applaus, das entzückte Gekreische mancher Follower brachte ihn nicht aus seiner Fassung. Der Dom bot eine unverwechselbare Kulisse, den Rahmen, aber seine majestätische Gravität blieb unberührt. Er blieb der, der er ist und immer war! Ein geschichtsmächtiges Gebäude, ein spiritueller Raum, die Kirche, die über Jahrhunderte Menschen Zuflucht und Zuversicht gab. Ein Ort der Begegnung für Menschen mit ihren Gebeten, ihrer Musik, ihrem Schweigen und Staunen, ihrem Glauben und ihren Zweifeln. Ein Gottes – Haus! Es hat schon viel erlebt, erlitten und überstanden. 

Der Andrang war so groß, das Anna Lapwood zwei Konzerte gab

Auch das: In der Konzertpause komme ich ins Gespräch mit zwei Paaren neben mir. Wie ich, waren sie voller Begeisterung den fast sphärischen Klängen des Orgelspiels gefolgt. Anerkennung und Bewunderung standen ihnen geradezu ins Gesicht geschrieben. Auf die Frage ihrer Herkunft erfuhr ich, dass eine Frau aus St. Petersburg kommt, ihr Partner aus einer Kleinstadt im Rheinland und das andere Paar aus Rumänien. Die Leidenschaft der Russen zur Musik ist bekannt. Geradezu „himmlich“ spiele Anna Lapwood – und das in diesem Ambiente – einfach phantastisch, erklärt mir die Dame aus St. Petersburg. Ich stimme zu und ergänze, dass ich dieses Erlebnis vielen ihrer Landsleute gönnen würde, schließlich litten nicht nur die Ukrainer, sondern auch viele Russen unter dem Diktatur Putin. Wie ich darauf käme, entfuhr es ihr barsch. Putin mache  Russland wieder groß. Und dafür führt er unerbittlich Krieg, schlachtet Zivilisten, Kinder und Frauen in Butscha zum Beispiel, und opfere Hunderttausende eigener Soldaten, entgegne ich.  Butscha ist nie passiert, es ist eine KI-gestützte Fotomontage, eine Erfindung des Westens, das habe auch ein ehemaliger hoher Bundeswehroffizier im Netz bestätigt, bekomme ich zu hören.

Überhaupt der Westen sei Schuld an vielen negativen Entwicklungen, von wegen Freiheit und Demokratie. Eine dekadente, westliche Elite versuche, sich die Länder Osteuropas unter den Nagel zu reißen, schaltet sich das Paar aus Rumänien ein. Ob sie denn wieder zu den Zuständen unter Ceaucescu zurück wolle, frage ich und erinnere an einen Besuch in Rumänien kurz nach der Wende. Mit Norbert Blüm zusammen besuchte ich dort ein Heim für behinderte Kinder. Sie lagen festgebunden an ihren Betten, mitten in ihrer Notdurft. Welch eine Tragödie! Nein, so schlimm müsse es nicht mehr kommen, aber wahrscheinlich sei alles auch gar nicht so krass gewesen. Langsam verschlägt es mir die Sprache, gehen mir die Worte aus.
Anna Lapwood spielt weiter. Lauschen kann ich ihr ncht mehr. Musik besitze eine utopische Kraft, heißt immer mal wieder, vorzugsweise in Festansprachen. Und ja, es gibt eine Menge guter Beispiele dafür. In diesem Moment spüre ich nichts von dieser Kraft, noch nicht einmal ein Hauch davon. Es sind  wohl diese Situationen, für die der Dom gebaut wurde. Bei aller Tristesse bleibt er ein Zeichen unerschütterlicher Hoffnung, dass sich etwas zum Guten wenden kann. Menschen können sich ändern. Der Dom bleibt. Genau dafür!!