Zora del Buono – Seinetwegen
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Die Autorin hat als Säugling 1963 ihren italienischen Vater durch einen Autounfall verloren. Ein Fahranfänger hat mit seinem schadhaften PKW ein Fuhrwerk überholt und ist frontal auf den entgegenkommenden VW-Käfer geprallt. Während dessen Fahrer nur wenig verletzt war und sich zu Unrecht schuldig fühlte, starb der Beifahrer im Krankenhaus. Mutter und Tochter haben wenig über den Mann gesprochen, beide in wechselseitiger Sorge Trauriges aufzurühren. Als die Mutter dement im Heim landet, beschließt del Buono, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ihre Mutter kann keine Auskunft mehr geben und wird auch das Ergebnis der Recherche nicht mehr würdigen können. Sie hat jedoch eine Schachtel mit allen möglichen Dokumenten und Fotos zurückgelassen, die die Autorin durchstöbert. Aus den wenigen Informationen über ihre Eltern als Paar vor ihrer Geburt ergibt sich nur ein vages Bild.
Obwohl sie den Vater nicht wirklich kannte und nur diffus vermisst hat und mit ihrer Mutter weitgehend als Einheit lebte, fühlte sie sich durch die Leerstelle als Außenseiterin unter Gleichaltrigen. Sie möchte wissen, ob der Unfall auch das Leben des jungen Mannes irgendwie beeinträchtigt oder verändert hat. Ob er noch von Schuldgefühlen geplagt wird. Anfangs weiß sie von dem Unfallverursacher nur die Initialen. Sie befragt Zeitzeugen, Freunde, ergattert die Akten über den Unfall und sucht in zeitgenössischen Zeitungen. Der Text wird unterbrochen durch Gesprächsprotokolle im Kaffeehaus mit Freunden, in denen einzelne psychologische Aspekte und Gedanken diskutiert werden. Dazwischengeschoben sind Listen von Beobachtungen und Erinnerungen an Reisen zu den Großeltern, ein Konglomerat von Bruchstücken, die höchstens randlich mit dem Thema zu tun haben.
Das Buch dreht sich vorrangig um die Gefühle der Autorin, was die Recherche mit ihr macht, als um wirkliche Erkenntnis. Sie vergleicht mit ähnlich vaterlos aufgewachsenen Literaten und Bekannten, mit ähnlichen Unfällen, zieht Statistiken heran, und verknüpft berufliches Engagement mit der Fahrt durch die Schweiz. Eine Aufarbeitung eigener Befindlichkeit.
Zora del Buono, geboren 1962 in Zürich. Studium der Architektur an der ETH Zürich, fünf Jahre Bauleiterin im Nachwende-Berlin. Gründungsmitglied und Kulturredakteurin der Zeitschrift mare.
Verlag C.H.Beck oHG
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