Von Michael Stallkamp

Die HDI Arena in Hannover © Wiki-Gerd Fahrenhorst

In Hannover werden besonders große Schützenfeste gefeiert. In der norddeutschen Tradition dieser Volksfeste ist die Bratwurst fest verankert. Die Hannoveraner sollten also für eine gute Bratwurst sorgen können. Gespannt mache ich mich auf den Weg in die Hannoveraner HDI Arena.

Dieses Heimspiel von Hannover 96 gegen Eintracht Frankfurt steht schon am 23 von 34 Spieltagen ganz im Zeichen des 96er Kampfes gegen den Abstieg. Stadionzeitung und Stadionsprecher beschwören noch einmal den Sieg im letzten Heimspiel gegen Nürnberg. Seitdem ist 96 Vorletzter in der Fußball-Bundesliga, nur einen Punkt vor Nürnberg. Ein weiterer Heimsieg muss unbedingt her. In dieser Situation mutet es seltsam an, dass der Ausrüster bereits jetzt einen großen Ausverkauf an Trikots und Fanartikeln veranstaltet. Gehen hier schon langsam die Lichter aus? Mein Testergebnis mehrerer Bratwürste bestätigt diesen fatalen Eindruck. Die kurze mitteldicke Wurst wird vollständig von einem zwar leidlich krossen, aber im Geschmack völlig faden Brötchen umhüllt. Mit kräftigem Biss kämpfe ich mich zur saftigen Wurst durch und schmecke in erster Linie Fett. Gewürze sind kaum wahrnehmbar. Die Konsistenz der sehr festen Außenhaut verhindert zudem offensichtlich, dass sich beim Braten Röstaromen bilden. So könnte es bei einem Absteiger schmecken, geht mir durch den Kopf.

Das völlig belanglose Produkt kostet 3,30 Euro und kann ausschließlich bargeldlos mit der Arenakarte bezahlt werden. Für den Tagesgast im Stadion ist das sehr umständlich, bedeutet es doch: An speziellen Schaltern anzustehen, um die Arenakarte zu kaufen und sie aufzuladen. Dann an den Verkaufsständen anzustehen, um schließlich, nach abgeschlossenem Verzehr wieder anzustehen, um die Karte zurückzugeben und das Restguthaben erstattet zu bekommen. Beim häufigen Anstehen habe ich so immerhin die Chance, interessante Gespräche zu führen. Das Ansinnen des 96er Mäzens, ein europaweit sehr erfolgreicher Hörgerätefilialist, seinen Einfluss im Verein auszubauen, scheint nur ein Problem der sogenannten Fankurve zu sein. Viele Dauerkarteninhaber auf der Haupt- und Gegentribüne sehen das entspannter. Hier bereiten die zunehmenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen sich linksradikal gebenden Gruppierungen und rechten Ultras die größeren Sorgen. Während des Spiels bleibt alles ruhig.

In der Pause zeigt die Stadionregie einen Zusammenschnitt der besten Spielszenen aus der ersten Halbzeit. Freilich, nur ganz wenige Ausschnitte sind zeigenswert. Deshalb werden sie in einer Endlosschleife ständig wiederholt. Nach der fünften Wiederholung glaube ich tatsächlich, ein besseres Spiel gesehen zu haben. Bei der Stadionwurst funktioniert das nicht. Auch nochmaliges und nochmaliges Probieren verbessert nicht das desaströse Geschmackserlebnis.

In der zweiten Halbzeit schwindet die Hoffnung der Zuschauer auf einen Heimsieg rapide. Frankfurt schießt das 0:1, das 0:2 und schließlich das 0:3. Spätestens nach dem zweiten Frankfurter Tor bröckelt in meiner Sitznachbarschaft so manche bürgerliche norddeutsche Fassade und wohlsituiert scheinende Männer und Frauen lassen sich zu Zwischenrufen hinreißen, die ich ihnen nie zugetraut hätte. Scharenweise flüchten die frustrierten Zuschauer an die Wurst- und Bierstände. In dieser Gemütsverfassung spielt die Genussqualität wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle.

Die vom Spiel enttäuschten Fans fordern Mäzen,Vorstand und den Aufsichtsrat – Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder – auf, ihre Koffer zu packen. Der Wurstlieferant sollte mitgehen.

Die Hannoveraner Wurst landet auf dem bisher vorletzten Platz, äußerst knapp vor Dortmund.

Wird fortgesetzt.

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