Zucker, Schnaps und Nilpferdpeitsche
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Dietmar Pieper: Zucker, Schnaps und Nilpferdpeitsche
Der Journalist Pieper hat eine sehr eindrückliche Dokumentation zur deutschen Kolonialgeschichte vorgelegt. Besonders anschaulich macht sie der Kniff, den gewalttätigen Stoff an einzelnen Personen und deren Unternehmen exemplarisch aufzuhängen. Vor diesem Hintergrund wird aufgezeigt, wie es besonders hanseatischen Kaufleuten gelang, zugunsten ihres Profits die Politiker seit dem 18. Jahrhundert zunehmend zu manipulierten. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit bröckelt heute der Erfolg damit, nicht zuletzt durch eine wachsende Einwanderercommunity.
Für eine Handvoll Produkte wurde zunächst das Bedürfnis in der Heimat geweckt, dann wurden die Bedingungen für eine preiswerte Produktion im Ausland festgelegt und schließlich der Staat veranlasst, für die Aufrechterhaltung der Einnahmen die Verantwortung zu übernehmen.
Das Buch ist hervorragend recherchiert. In 10 Kapiteln beschreibt Pieper die hanseatischen Siegeszüge per Schiff, den Umgang mit Sklaven in Afrika, in der Südsee, Karibik und in Südamerika.
Nur wer die Debatten über die Rückführung von Raubkunst aus den deutschen Museen verfolgt hat, wird weniger erschüttert sein über die Zusammenstellung. Lüderitz und Woermann ragen als die bekannteren Namen heraus, aber es gab noch etliche mehr. Auch die weitere Geschichte der Kolonien gibt heute keinen Grund mehr zur Heldenverehrung. Nur wenige Politiker nannten die Gräuel damals beim Namen. Es ist beschämend, mit welchen Verrenkungen der Genozid an den Herero und Nama von der Bundesregierung behandelt wird. Unter dem Deckmantel von Missionierung, Belehrung und angeblicher Kultivierung tobten sich brutale Militärs aus, als die Prügelstrafe auch zuhause noch gängige Praxis war. Legte mal ein Augenzeuge aus Übersee den Finger in die Wunde, wurden die Tatsachen in Deutschland konsequent verdreht.
Manch einem mag der Appetit auf Schokolade oder Kaffee nach der Lektüre vergehen. Die Sichtweise wandelt sich langsam, Straßen werden umbenannt, Denkmäler gestürzt. Etliche der maßgeblichen Familien/Unternehmen existieren bis heute und dürften wenig begeistert sein, ihren Reichtum derart unter die Lupe gezerrt zu sehen. Wenn man es genau betrachtet, wäre es mehr recht als billig, die Unternehmen für die Einwanderer aus Afrika nachhaltig zur Kasse zu bitten.
Dietmar Pieper, Jahrgang 1963, studierte Germanistik, Komparatistik und Philosophie und hat sich in fast 33 Jahren beim Spiegel mit historischen Themen beschäftigt, u. a. als Redaktionsleiter der Heftreihe Spiegel Geschichte.
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