Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Gesuino Némus: Die Frömmigkeit der Schafe

Gesuino Némus © Basso Cannarsa

Der originelle Krimi ist der dritte aus einer Reihe, die auf Sardinien spielt. Zwei Todesfälle konfrontieren den Polizisten Ettore Tigàssu in dem kleinen sardischen Dorf Telévras mit der Vergangenheit. Seine Nachforschungen offenbaren einerseits die Vorurteile der Inselbewohner untereinander und die Kontraste der Beamtenmentalität sowohl zwischen Stadt und Provinz auf der Insel, im Unterschied zum italienischen Festland.

Erster Anstoß zu Ermittlungen ist der Tod eines ehemaligen Lehrers, Marcellino Nonies. Unter seinen Hinterlassenschaften findet sich ein handschriftliches Manuskript, das 70 Jahre zurückreicht. Damals wollte der Lehrer ein Hirtenmädchen, das 1964 aus der Schule geflüchtet war, zum Schulabschluss motivieren. Einschübe aus dem Manuskript, das dem Brigadiere der Chef als Lektüre aufs Auge gedrückt hat, und allgemeine Kindheitserinnerungen aus noch älteren Zeiten unterbrechen den Fortgang der Handlung und spannen den Bogen durch die sardische Geschichte.

Die Handlung lebt deshalb auch nicht von üblicher Spannung, auch wenn sie sich um dieses Mädchen, Mariàca Tidòngia, dreht. Als Jugendliche wurde sie schwanger, ihr Vater verfluchte sie und sie verschwand spurlos. Aber merkwürdigerweise hatte sie die Adresse des Lehrers als Kontakt angegeben. Als der Brigadiere eine heiße Spur verfolgt, wird er von Vorgesetzten zurückgepfiffen. Scheinbar ist Mariàca zurückgekehrt. Stellen sich die Dorfbewohner dumm oder wissen sie wirklich nichts? Zur Beerdigung des Lehrers tauchen dubiose Fremde mit Mietwagen auf. In der Beamtenhierarchie werden Informationen nur häppchenweise weitergereicht, jeder stochert im Trüben, bis es einen zweiten Toten gibt. Wer hat eine Tasche mit Waffen in der Kapelle abgestellt?

In den Gedanken über Schafe und ihre Bedeutung als Herdentiere hat der Lehrer metaphorisch seine Umgebung umschrieben, in die Auswärtige kaum Zugang bekommen. Der durchgängig ironische Stil Matteo Loccis alias Gesuino Némus stellt die abgeschottete dörfliche Gemeinschaft in der kargen Landschaft seiner Heimat sympathisch vor Augen, motiviert mit kulinarischen Hilfsmitteln zum Eintauchen in diese südländische Gelassenheit.

 

Verlag: Eisele Verlag

Einbandart: Klappenbroschur

Seitenanzahl288 Seiten

OriginaltitelIl catechismo della pecora

ÜbersetzungAus dem Italienischen von Sylvia Spatz

ISBN9783961611546

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