In diesem frankokanadischen Drama nach dem gleichnamigen Theaterstück von François Archambault erzählt Regisseur Éric Tessier von einem Professor, der sein Gedächtnis verliert.

Édouard und Bérénice © JETS Filmverleih & Vertrieb

Ein feuchtfröhlicher Abend: Der pensionierte Geschichtsprofessor Édouard (Rémy Girard) geht mit Tochter Isabelle (Julie Le Breton) und deren Partner Patrick (David Boutin) schick essen. Bei der dritten Flasche Wein scherzt Édouard über die positiven Seiten seiner erschreckend zunehmenden Vergesslichkeit. Für ihn sei jedes Glas das erste. Wieviel er schon getrunken hat, darüber legt sich der neblige Schleier der Amnesie.

Nur für den Augenblick zu leben, dieser Traum scheint für einen Moment greifbar. Isabelle fühlt sich ihrem Papa so nahe wie lange nicht. Für ein paar Stunden ist der ganze Stress der Betreuungsarbeit wie weggeblasen. Doch der Realitätsschock lässt nicht lange auf sich warten. Auf der Rückfahrt im Auto schaut der alte Herr die blondgelockte Frau neben ihm entgeistert an: „Wer bist du“? Komödie und Drama liegen nur einen Schnitt entfernt in einer Mischung, die nicht zuletzt mit dem Charakter von Édouard zu tun hat.

Der ehemalige Historiker und Frauenheld strotzt nämlich noch immer vor Eitelkeit und Selbstüberschätzung. Er habe ein „phänomenales Gedächtnis“ für geschichtliche Daten und Fakten, erzählt er dem Fernsehteam, das sich für seine Krankheit interessiert. Édouard klammert sich wie ein Besessener an sein Langzeitgedächtnis, um die wachsende Erschütterung seines Selbstbildes zu übertünchen. Er tritt herrisch, aufbrausend und dominant auf, bricht aber im nächsten Moment hilflos in sich zusammen wie ein Kind, fordernd und selbstbezogen.

Édouard (Rémy Girard) und Madeleine (France Castel) © JETS Filmverleih & Vertrieb

Édouard Beauchemin ist bis heute stolz darauf, wie viele historische Daten und Fakten er sich merken kann. Doch was er zum Frühstück gegessen hat, daran kann er sich nicht erinnern. Édouard ist an Alzheimer erkrankt und fällt seiner Frau Madeleine (France Castel) und der gemeinsamen Tochter Isabelle (Julie LeBreton) zunehmend zur Last. Madeleine möchte ein neues Leben an der Seite eines anderen Manns beginnen und schiebt Édouard zu Isabelle und deren Lebensgefährten Patrick (David Boutin) ab. Patrick wiederum heuert seine erwachsene Tochter Bérénice (Karelle Tremblay) an, um auf Édouard aufzupassen und öffnet dadurch ungeahnt eine Tür in die Vergangenheit.

Möglich macht das die Figur der jungen, unbedarften und ungestümen Bérénice. Karelle Tremblay, hierzulande zuletzt in “Death of a Ladies’ Man” (2021) zu sehen, spielt sie erfrischend unverstellt und bildet an der Seite von Rémy Girard ein wunderbares ungleiches Paar, von dem dieses Drama zehrt. Bérénice erinnert Édouard an dessen verstorbene Tochter, wodurch sich eine lange verschlossene Tür in die Vergangenheit wieder öffnet und die Beziehung zwischen Édouard, seiner Frau Madeleine (France Castel) und der gemeinsamen Tochter Isabelle (Julie LeBreton) schließlich neu auf- und auf gesunde Beine gestellt werden kann. Bérénice’ Verhältnis zu Édouard, das sich von einem distanziert-schnippischen zu einem liebevoll-ehrlichen Umgang wandelt, bringt Bérénice wiederum ihrem entfremdeten Vater Patrick (David Boutin) näher.

Mit einer besonderen Mischung aus Humor und Drama gelingt es Regisseur Éric Tessier, das Thema Alzheimer zu enttabuisieren. DU WIRST MICH IN ERINNERUNG BEHALTEN ist ein Film über die Bedeutung des Erinnerns auf verschiedenen Ebenen und die heilende Wirkung (unwahrscheinlicher) menschlicher Begegnungen. Hauptdarsteller Rémy Girard wurde für seine Rolle mit dem Borsos Wettbewerb als Bester Darsteller ausgezeichnet. Erfrischend an seiner Seite: Nachwuchstalent Karelle Tremblay.

Fazit: Éric Tessiers Adaption von François Archambaults Theaterstück ist ein ruhiges, unaufgeregtes Drama über Demenz und was sie mit Familien anstellt. Tessier begegnet dem Thema mit Nachsicht, Liebe und Humor und setzt dabei voll und ganz auf seine zwei Hauptdarsteller Rémy Girard und Karelle Tremblay, die sich wunderbar ergänzen.

 

DU WIRST MICH IN ERINNERUNG BEHALTEN
Buch & Regie: Eric Tessier | Kanada 2020 | 108 Minuten
Mit Rémy Girard, Karelle Tremblay, Julie le Breton, France Castel, David Boutin u.a.
Verleih: JETS Filmverleih und Vertrieb |
Kinostart: 7. Dezember 2023

 

 

 

 

 

 

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