Blue Jean
„Blue Jean“, das Spielfilmdebüt von Regisseurin Georgia Oakley, ist ein ästhetisches Kunstwerk, das man in jedem Fall im Kino erleben sollte

Jean (Rosy McEwen) ist Sportlehrerin an einer Mädchenschule und setzt sich für ihre Schülerinnen ein. Jean ist zudem lesbisch, taucht nach Feierabend tief in die Szene und ihre geheimen Clubs ein. Doch diese Kombination geht im Großbritannien des Jahres 1988 nicht zusammen. Denn die Regierung geht mit Gesetzen gegen Homosexuelle vor, sieht überall die Gefahr, dass diese junge Menschen beeinflussen könnten. Vor allem Lehrer*innen stehen daher besonders im Fokus, weswegen Jean ein geheimes Doppelleben führen muss. Doch dann bekommt sie immer mehr mit, wie ihre Schülerin Lois (Lucy Halliday) von der Klasse als „Lesbe“ gehänselt wird. Soll sie etwas tun oder in ihrer Tarnung bleiben?

Regisseurin Georgia Oakley gelingt mit ihrem Spielfilmdebüt „Blue Jean“ ein großartiges psychologisches Drama über die weitreichenden Folgen repressiver Politik auf Einzelschicksale – wie das von Jean. In seiner Kunst, die herrschenden sozialen Dynamiken – sowohl für Lehrer als auch für Schüler – in seinen beklemmenden wie integrativen Momenten zu zeigen, erinnert der Film stellenweise an die aktuelle deutsche Oscar-Hoffnung „Das Lehrerzimmer“ von Ilker Çatak. Auch die hiesige Protagonistin möchte doch eigentlich nur gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Sie entzieht sich dem lauten Aktivismus ihrer Freunde inklusive ihrer Partnerin Vivian (Kerrie Hayes), bis sie damit moralisch an ihre Grenzen stößt.
Dieses „Reh im Scheinwerferlicht“, wie Vivian es im Film an einer Stelle auf den Punkt bringt, spielt Rosy McEwen grandios unaufgeregt und offenbart doch die tiefen inneren Kämpfe der introvertierten Figur. Während die Geschichte im dritten Akt an Dichte verliert und etwas viele „loose ends“ im Sande verlaufen, ist es vor allem die visuelle Ebene des Films, die ihn besonders sehenswert machen. Die wunderbare, körnige Tiefe des analogen Bildes ermöglicht unmittelbar den Zeitsprung in das Großbritannien der 1980er-Jahre. Das aufwendige, detailverliebte Spiel mit den unzähligen Blautönen – immer wieder gebrochen mit der Signalfarbe Rot – unterstreicht nicht nur die Erzählung, sondern macht den Film zu einem ästhetischen Kunstwerk, das man in jedem Fall im Kino erleben sollte.