Der “kulturelle Urknall” bleibt von Stuttgarter Regierung weiterhin unerhört

Von Jörg Bischoff

Die Vogelherdhöhle bei Stetten ob Lontal in Baden-Württemberg. © Thilo Parg/Wikipedia

Im Jahr 2017 ging ein großes Aufatmen durch die Bevölkerung der Gegend um das Städtchen Blaubeuren bei Ulm: Die Höhlen im Blau-und Lonetal wurden unter dem Titel „Höhlen und Eiszeitkunst“ als Weltkulturerbe in die Liste der UNESCO aufgenommen. Besonders erfreut war man in dem 4700 Einwohner zählenden Städtchen Niederstotzingen im Landkreis Heidenheim. Denn dort hatte man schon längere Zeit eine Archäo-Erlebnispark angelegt, der sich um die Vogelherdehöhle gruppiert.  Die Vogelherdhöhle mit ihren drei Eingängen ist in der Tat eines der Zentren. Denn dort hatte der Tübinger Archäologe Gustav Riek als erster Wissenschaftler 1931 bedeutende Funde ausgegraben: Ein Pferchen, einen Mammut, eine Höhenlöwen und einen Bison, alle aus Mammutelfenbein geschnitzt. Der „Spiegel“ schaltete sich ein und die Heidenheimer Zeitung hörte sogar einen „kulturellen Urknall“.

Beginn der “menschlichen Kultur”

Wildpferd aus Mammutelfenbein, Vogelherdhöhle, etwa 35.000 Jahre alt © Wuselig/Wikipedia

In der Tat  begann vor 30 000 bis 35 0000 Jahren am Ende der Altsteinzeit die menschliche Kultur. Denn zum ersten Mal entdeckten die Wissenschaftler Figuren, die nicht mehr aus  täglichen Gebrauchsgegenständen in Form von Steinmessern oder Pfeilspitzen bestanden, sondern aus der menschlichen Kultur, wie sie schon im französischen Departement Aurignac gefunden worden waren. Zehn davon hatte Riek in der Vogelherdhöhle gefunden. Und dort schickte sich das Städtchen Niederstotzingen an, einen Archäopark zu entwickeln: Mit üppigen Austellungsräumen, wo auch das etwa vier Zentimeter große „Pferdchen“  und allerlei Jagdgegenstände zu sehen sind, einem Cafe und Modellen von Mammuts und anderen Sehenswürdigleiten, die an die Altsteinzeit erinnern. Finanziert wurde die ganze Anlage Anfangs aus dem Gemeindehaushalt und Zuschüssen  des Landkreises Heidenheim. Doch inzwischen ist die Gründerlaune ausgeklungen. Der Landkreis Heidenheim stieg aus, und der Gemeindehaushalt einschließlich der Spenden und Eintrittsgelder gab trotz aufwendiger Werbung nichts mehr her.  Auch eine Bürgermeisterwahl mit Wechsel im Amt ließ die Freude am Archäopark erlahmen.

“Selber schuld”

Venusfigurine aus Mammut-Elfenbein, Flöte aus der Speiche eines Gänsegeiers, blattförmig bearbeitete Horn­stein­spitze ©wikipedia

Jetzt soll das Land Baden-Württemberg einspringen, das immerhin an der Seite der Antragseller bei der UNESCO stand. Doch die grün-schwarze Regierung von Ministerpräsident Winfried  Kretschmann ziert sich.  Alle Hilferufe des parteilosen Bürgermeisters Marcus Bremer fruchteten bisher nicht. Die einzige Zusage, zu der sich die Regierung bequemte, stammt nun von der für Denkmalschutz zuständigen CDU-Bauministerin  Nicole Razavi: Beamte des Landesdenkmalamts könnten für jeweils ein paar Tage nach Niederstotzingen geschickt werden, um dort Besucher wissenschaftlich zu beraten. Obwohl dies bereits an einer anderen Höhle so geschieht, wirkt es auf die örtlich zuständigen Landtagsabeordnerten Schoch und Rivoir „wie ein Tropfen auf dem heißen Stein“ . Sie appellieren an die Landesregierung, für eine Beratung im Stuttgarter Landtag zu sorgen, in der die knappe Lage der Stadt Niederstotzingen zum Thema wird. Auch der Urgeschichtler Professeor Nikolas Conrad von der Universität Tübingen hat sich an die Regierung mit der Bitte um Mithilfe gewandt.  Bisher aber herrscht Stille in Stuttgart. Welterbe hin, Welterbe her – die Niederstotzinger hätten ja schließlich gewusst, welches Risiko  sie mit ihrem waghalsigen Projekt des Archäo-Erlebnispark eingehen würden. Deshalb sollten sie jetzt auch zuschauen, wie sie aus der Krise wieder herauskommen.

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