Ex-Soldat als Burgherr
Der ehemalige Nato-General Petr Pavel hat die Präsidentschaftswahl in Tschechien gewonnen. Im Wahlkampf wurde auch über den Ukrainekrieg gestritten.

Nun ist es also amtlich: Petr Pavel, ein ehemaliger Soldat im Range eines Generals, ist der neue Staatspräsident der Tschechischen Republik. Pavel setzte sich am vergangenen Wochenende in einer Stichwahl gegen Ex-Premierminister Andrej Babiš durch. Für Pavel stimmten circa 58 Prozent der Wahlberechtigten, Babiš erhielt rund 42 Prozent der Stimmen. Damit traf ein, was die meisten Meinungsforschungsinstitute vorhergesagt hatten: Ein klarer Wahlsieg für Pavel. Babiš gratulierte seinem Kontrahenten noch am Samstagabend und erkannte seine eigene Niederlage an.
Damit ging zugleich einer der schmutzigsten Wahlkämpfe in der jüngeren Geschichte Tschechiens zu Ende. Insbesondere Babiš hatte in den Tagen vor der Wahl immer wieder versucht, Pavel auch persönlich zu denunzieren. So behauptete er beispielsweise wiederholt, der ehemalige NATO-General wolle Tschechien in den Krieg gegen Russland führen. In den letzten Tagen vor der Wahl wurden zudem verstärkt Falschmeldungen und Desinformationen verbreitet. Noch ist zwar unklar, wer dahintersteckt, aber es wird vermutet, dass Babiš’ Wahlkampfteam damit zu tun haben könnte.
In Tschechien wird der Staatspräsident seit dem Jahr 2013 direkt gewählt. Der bisherige Amtsinhaber Milos Zeman konnte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 70 Prozent, was das hohe Interesse in der Bevölkerung an dieser Wahl spiegelt. Der Wahlkampf wiederum war in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Babiš und Pavel gingen mit jeweils rund 35 Prozent der Stimmen als klare Sieger aus dem ersten Wahlgang, der Mitte Januar stattgefunden hatte, hervor. Während der 61-jährige Pavel immer wieder betonte, dass es ihm um Werte wie Anstand, Respekt und die Einhaltung demokratischer Grundsätze gehe, stellte Babiš in seiner Kampagne soziale Themen in den Vordergrund und inszenierte sich als Verteidiger der Interessen der ländlichen Bevölkerung.
Gemeinsam war beiden Kontrahenten, dass sie im Verlauf des Wahlkampfs von ihrer kommunistischen Vergangenheit eingeholt wurden.
Einer seiner zentralen und eingängigen Werbeslogans lautete: „Peripherie gegen Prag“. Er versuchte zudem von Anfang an, Pavel zu schaden, indem er ihn als Kandidaten der rechtsliberalen Regierung von Ministerpräsident Petr Fiala bezeichnete, obwohl dieser immer wieder betont hatte, unabhängig und von keiner Partei nominiert worden zu sein. Richtig ist, dass Pavel parteilos ist, aber wie zwei andere Kandidaten auch von der Koalition unterstützt wurde.
Gemeinsam war beiden Kontrahenten, dass sie im Verlauf des Wahlkampfs von ihrer kommunistischen Vergangenheit eingeholt wurden. Pavel begann seine militärische Karriere in der damaligen tschechoslowakischen Armee, Babiš wiederum wird vorgeworfen, dass er als Spitzel für den Geheimdienst gearbeitet haben soll. Allerdings gingen beide sehr unterschiedlich damit um. Während sich Pavel zu seiner Vergangenheit stets bekannte und seine Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei inzwischen öffentlich bereut hat, streitet Babiš weiterhin ab, für den Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
In den Tagen vor der Wahl war auch immer wieder der Krieg in der Ukraine ein großes Thema. Vor allem Babiš versuchte, daraus politisch Kapital für sich zu schlagen. Auf einem seiner Wahlplakate hieß es: „Ich ziehe Tschechien nicht in einen Krieg hinein. Ich bin Diplomat, kein Soldat.“ In einer Fernsehdebatte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kurz vor der Wahl sagte Babiš sogar, dass er keine tschechischen Soldaten schicken würde, falls das Nachbarland Polen angegriffen würde. Zwar bedauerte er diese Aussage anschließend, aber die Aufregung war beträchtlich. Pavel dagegen bekannte sich klar zur NATO und bekräftigte stets, dass er Tschechien als verlässlichen Partner auf der internationalen Bühne etablieren wolle.

Auch in Tschechien hat der Staatspräsident überwiegend repräsentative Aufgaben. Allerdings ernennt er zudem die Richterinnen und Richter am Verfassungsgericht und setzt die Regierung einschließlich des Premierministers ein. Er ist außerdem Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann Gesetze einmalig an das Parlament zurückverweisen. Nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der Präsident direkt vom Volk gewählt wird, leitet sich eine besondere Legitimation ab. Der bisherige Amtsinhaber Milos Zeman hat nie davor zurückgeschreckt, sich lautstark in die Tagespolitik einzumischen. Mit seinen oft polarisierenden Ansichten zu Themen wie Migration, den Rechten von Homosexuellen oder der Rolle der Medien hat er dabei die tschechische Gesellschaft wiederholt gespalten.
Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses wird Tschechien als weltoffenes und demokratisches Land präsentieren.
Von Pavel ist derartiges nicht zu erwarten. Im Gegenteil, man kann davon ausgehen, dass mit ihm ein neuer Stil in die Prager Burg einkehren wird und er sich von seinem Vorgänger klar abgrenzen wird. Im Wahlkampf versprach er immer wieder, dass er dem Amt seine Würde zurückgeben und die Lügen in der Politik beenden wolle. Dies war nicht zuletzt auch an die Adresse von Andrej Babiš und dessen Art, Politik zu machen, gerichtet. Diese Positionen brachten ihm die Unterstützung einer deutlichen Mehrheit der tschechischen Bevölkerung ein und daran wird er sich auch zukünftig messen lassen müssen. Zu keinem Zeitpunkt hat er außerdem Zweifel an seinen außenpolitischen Ansichten aufkommen lassen.
Der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses wird Tschechien als weltoffenes und demokratisches Land präsentieren und als verlässlicher Partner von EU und NATO auftreten. Die Zusammenarbeit mit der Regierung von Petr Fiala dürfte in dieser Hinsicht reibungslos funktionieren. Innenpolitisch wird auf den neuen Präsidenten die Herausforderung zukommen, die Gesellschaft wieder zu vereinen und vor allem auch auf diejenigen zuzugehen, die ihn nicht gewählt haben. Auch davon wird es entscheidend abhängen, ob die Polarisierung zwischen städtischen Eliten und den Menschen außerhalb der größeren Städte zukünftig weiter zunehmen wird oder die Gesellschaft wieder mehr zusammenrückt. Keine leichte Aufgabe, zumal die hohe Inflation und die Folgen des Krieges die soziale Not vergrößert haben und viele Bürgerinnen und Bürger unzufrieden sind.
Was wird nun aus Andrej Babiš? Dieser hat seine Niederlage vorbehaltlos akzeptiert und Petr Pavel umgehend zu seinem Wahlsieg gratuliert. Gleichzeitig sprach er jedoch von einem sehr guten Wahlergebnis für sich selbst. Er habe deutlich mehr Stimmen bekommen als die Regierungskoalition bei den letzten Parlamentswahlen. Babiš wird wohl Oppositionsführer im Parlament bleiben. In seiner Partei ANO („Ja“) ist er nach wie vor unumstritten und viele Beobachter gehen zudem davon aus, dass er nun bei den nächsten Parlamentswahlen versuchen wird, nochmal Premier zu werden. Babiš selbst hat diese Spekulationen befeuert, indem er immer wieder auch im Wahlkampf anklingen ließ, dass er das Amt des Premierministers eigentlich dem Präsidentenamt vorziehe. Er wird also trotz aller persönlicher Skandale auch weiterhin ein ernst zu nehmender politischer Akteur bleiben.
Seine Partei ANO ist in den Umfragen weiterhin stärkste Kraft und er verfügt inzwischen über eine feste Klientel gerade in den ländlichen Regionen des Landes, die ihn vorbehaltlos unterstützt. Sein weiterer politischer Erfolg wird aber auch entscheidend davon abhängen, wie sich die soziale und wirtschaftliche Situation in den kommenden Monaten entwickeln und welche Maßnahmen die Regierung treffen wird. Babiš hat es jedenfalls geschafft, sich als der Interessenvertreter der kleinen Leute zu profilieren. Auf diese Karte wird er sicherlich auch zukünftig setzen und die Regierung weiterhin für ihre fehlende soziale Politik kritisieren. Die politische Entwicklung in unserem Nachbarland wird also spannend bleiben.
Urban Überschär leitet seit 2020 das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prag. Zuvor war er Büroleiter des FES-Landesbüros in Niedersachsen.