Abenteuer Mongolei
von Dr. Bernd Kregel
Mit Nomaden durch die Wüste Gobi
Während einer Kamelkarawane erschließt sich die bizarre Besonderheit der mongolischen Tradition.
An Dschingis Khan scheiden sich die Geister. Die einen sehen in ihm den rücksichtslosen Eroberer, dessen wilde Reiterhorden die Steppen Asiens erbeben ließen. Niemand und nichts konnte sie aufhalten, nicht einmal Europa war vor ihnen sicher. Dafür verbannte ihn selbst seine mongolische Heimat noch vor wenigen Jahren aus den eigenen Geschichtsbüchern.
Andere hingegen halten ihn für einzigartig. Sie feiern seine militärische Leistung und preisen seine historische Bedeutung. So ist Dschingis Khan in der heutigen Mongolei nahezu allgegenwärtig: auf Wodkaflaschen und Wollteppichen, auf Reiseprospekten und Titelseiten. Selbst in den mongolischen Wohnstuben hat das würdevoll lächelnde Bildnis vom einstigen Herrscher die einst üblichen sozialistischen Revolutionshelden verdrängt.
Gleichmäßig federnde Schritte
Ein sensationelles Comeback nach dem Fall des sozialistischen Weltsystems, in dessen Schlepptau sich auch die „Mongolische Volksrepublik“ bis 1990 befand. Danach mussten sich die 2,6 Millionen Mongolen neu orten. Zwar ist ihr zentralasiatisches Land viermal so groß wie Deutschland. Doch strategisch ist es eingeklemmt zwischen den beiden Großmächten Russland und China. Das Anknüpfen an große Traditionen kann da sicherlich nicht schaden!
Auch den Nomaden in der Wüste Gobi sind solche Gedankengänge nicht fremd. Dennoch erscheint ein Abstecher in diese entlegene Region wie eine Reise in eine längst vergangene Welt. Hier wird der Lebensrhythmus noch bestimmt von der Weide- und Futtersuche. Und natürlich von den gleichmäßig federnden Schritten der Kamele, die in Karawanenformation die weiten Ebenen durchqueren oder hoch aufragende Sanddünen überwinden.
Mongolische Gastfreundschaft
Einer solchen Karawane mit 28 Kamelen vertraue ich mich an. Bimba, der Karawanenführer, kennt die Wüste wie seine eigene Tasche. Er weiß genau, wo die besten Futterplätze und Wasserstellen für seine Schaf- und Ziegenherden zu finden sind. Seine Kamele sind dagegen weitaus genügsamer. „Jabonáh!“ ruft er nach der Mittagspause mit unüberhörbarer Stimme: „Los geht’s!“ Doch die beladenen Kamele wollen offenbar eine Extraeinladung. Ein kurzes „Hog, hog!“ bringt sie auf Trab. Wen wundert es, dass ihnen die in der Hitze flimmernde Gesteinsebene nicht sonderlich liegt!
Doch heute ist ein besonderer Tag. Bimba lüftet sein Geheimnis, als wir kurz vor Sonnenuntergang in der Nähe seiner Jurte unsere Zelte aufbauen: Sein jüngstes Enkelkind hat heute Geburtstag – ein passender Anlass, um seine mongolische Gastfreundschaft unter Beweis zu stellen. Vorsichtig betreten wir die geräumige Behausung. Immerhin bringt das versehentliche Berühren der Türschwelle nach hiesiger Überzeugung Unglück über die ganze Familie.
Angegorene Stutenmilch
Gastgeber Bimba erscheint in der Festtagskleidung der Gobi-Nomaden. Er begrüßt uns, so will es der Brauch, mit einer feierlichen Rede, die etwas umständlich übersetzt werden muss. Höflichkeiten und Gastgeschenke werden ausgetauscht als Ausdruck der gegenseitigen Sympathie.
Auf dem Kanonenofen in der Mitte der Jurte garen bereits die herrlichsten mongolischen Leckereien, vor allem die pikanten Fleischtäschchen, die bei keiner Einladung fehlen dürfen. Als Nachtisch wird Milchkonfekt gereicht in solch vielfältigen Variationen, dass ich zum Schluss den Überblick verliere. Dazu trägt sicherlich auch die angegorene Stutenmilch bei, die in einem Trinkgefäß immer häufiger die Runde macht.
Kostprobe der Naturgewalten
Auch die Zungen der Gastgeber sind nun gelockert, und so folgt ein Gesang nach dem anderen. Zuerst sind die Frauen dran: “Wo warst Du, Geliebter, als wir bei der Herde verabredet waren?“ Und die Männer antworten mit allen möglichen Erklärungen: „Weil das Tal überschwemmt war und der Kamelhengst sich im Gestrüpp verfangen hatte…“ So wird alles aufgezählt, was die raue Landschaft an unerwarteten Überraschungen bereithält.
Eine Kostprobe dieser Naturgewalten erhalten wir am nächsten Morgen. Das Wetter ist umgeschlagen, und kalter Wind bläst uns ins Gesicht. Die wärmste Daunenjacke ist jetzt gerade gut genug. Hoch auf den fernen Bergkuppen hat es nachts sogar geschneit. Doch – wie zum Trotz – geht der Gesang weiter und bringt Leben in die erstarrten Gesichter. Die Lieder handeln von der Schönheit der Mongolei und dem Alltag der Nomaden in der Wüste Gobi.
Endlich haben wir die lang ersehnte Dünenkette erreicht, die uns schon seit vielen Stunden vom Horizont her den Weg gewiesen hat. Aufwirbelnder Sand scheint uns sagen zu wollen: Vorsicht, jedes Foto geht ab jetzt auf eigenes Risiko! Ein Versagen der Kamera wäre in der Tat tragisch. Denn vor der Kulisse dieser aufgetürmten Sandberge wirkt unsere Karawane wie in einer Erzählung aus 1001 Nacht!
Lagerplatz ist heute ein kleiner See, den wir zunächst für eine Fata Morgana halten. Auf seiner dunklen Oberfläche spiegelt sich seitenverkehrt das geschäftige Treiben am Ufer. Während in der Wüstenküche langsam das Abendessen Gestalt annimmt, bleibt genügend Zeit für Gespräche. Im Schein der Petroleumlampe ist Bimbas Sohn Batsaikhan heute besonders mitteilsam. Er berichtet, dass es sich seit der politischen Wende wieder lohnt zuzupacken. Denn nun gehören die Herden nicht mehr dem Staat, sondern der Familie.
„Singende Sanddünen“
Am nächsten Tag naht der Abschied. Nach gemeinsamer Mahlzeit steigt die Karawane langsam die „singenden Sanddünen“ hinauf, wo abrutschender Quarzsand knackende Geräusche hervorruft. Die Kamele und ihre Begleiter werden immer kleiner und verschwinden schließlich völlig hinter einem Dünenkamm.
In bereitstehenden Geländewagen treten wir die Heimreise an. Nur langsam wird mir klar, dass damit auch die Reise in die Welt des Dschingis Khan beendet ist. Mit Ulan Bator ist wieder Großstadt angesagt, Autoverkehr, Plattenbau-Tristesse. Umso mehr weiß ich den Abstecher in die mongolische Vergangenheit zu schätzen.
HIER GEHTS ZUR FOTOSTRECKE MONGOLEI:
Info „Mongolei“:
Anreise: Die Anreise in die Mongolei ist nur möglich über den internationalen Flughafen von Ulan Bator, per Zug von Russland und China aus und mit dem Auto über vier Grenzstationen.
Einreise: Deutsche Staatsangehörige benötigen für die Einreise in die Mongolei ein Visum, das bei der Mongolischen Botschaft in Berlin beantragt werden kann.
Reisezeit: Im Gegensatz zu den Wüsten im Sahelgürtel kann die Wüste Gobi wegen der schneidenden Kälte in den Winter nur in den Sommermonaten bereist werden.
Unterkunft: In der Hauptstadt Ulan Bator gibt es natürlich Hotels. Weiter außerhalb stehen stimmungsvolle Jurten für die Übernachtung zur Verfügung. Und wo es die nicht mehr gibt, gehören Zeltausrüstungen mit in die Karawanenausrüstung.
Veranstalter: Geoplan-Reisen: www.geoplan-reisen.de/asien/mongolei; Studiosus-Reisen: www.studiosus.com/gruppenreise/mongolei; Chamäleon-Reisen: www.chamaeleon-reisen.de;
Hauser-Exkursionen: www.hauser-exkursionen.de: Meier-Reisen: www.meier-reisen.de;
Auskunft: Botschaft der Mongolei, Dietzgenstr. 31, 13156 Berlin, Tel. 030-4748060, Fax. 030-47480616, E-Mail mongolbot@aol.com, www.botschaft-mongolei.de
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