Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Lucy Foley: Abendrot

© Philippa Gedge

Das dritte Buch der auf der Spiegel –Liste geführten Autorin erinnert an die ersten Fortsetzungsromane im 19. Jahrhundert, als die Unterhaltungssparte zum Amüsement der ganzen Familie einen Streifen Platz in Tageszeitungen fand. Dieser Eindruck verstärkt sich, als ob die regelmäßigen Cliffhanger der Empfehlung eines Schreibratgebers entspringen. Jedes der in sich geschlossenen Kapitel ist sehr kurz. Das kommt den knappen Aufmerksamkeitsphasen von Wenig-Lesern entgegen.

Der Plot verspricht durchaus Spannung. Jess, eine junge Frau aus England, hat sich bei ihrem Halbbruder Ben in Paris zu einem Besuch angemeldet. Obwohl sie kurz vor Ankunft noch telefonieren, holt er sie weder, wie versprochen, ab noch ist er in seiner Wohnung, um sie zu empfangen. Sie hat ihren Job gekündigt und er – der Sunnyboy ̶ , der gerne Investigativjournalist sein will, ist offenbar auf der Jagd nach Material für eine heiße Story. Seine Kontakte entpuppen sich als oberflächlich. So richtig kannte ihn keiner. Doch immer mehr Indizien deuten auf ein Drama, das sich in der Wohnung abgespielt hat. Wie konnte er überhaupt so eine teuer wirkende Wohnung in einem altehrwürdigen Stadthaus bezahlen?

Als komprimierte Häppchen lernt der Leser die Nachbarn kennen und die Autorin enthüllt Stück für Stück das sie verbindende Geheimnis, das sie aneinander kettet. Zunächst hat jeder etwas zu verbergen, ist schrullig oder durchschnittlich. Die Perspektive springt zwischen den Bewohnern dieses Hauses. Dadurch wird der rote Faden immer wieder gekappt. Die existentielle Bedrohung, die für einen Thriller typisch ist, lässt lange auf sich warten und steigert sich dann nur unwesentlich. Die Vorgeschichte der Geschwister hätte mehr Potential zur Ausschmückung oder zum Legen falscher Spuren geboten. Manche Handlung erscheint unlogisch, da die Psychologie der Figuren recht oberflächlich angelegt ist. Um bis zur Auflösung vorzudringen, ist mehr Durchhaltevermögen als starke Nerven gefragt.

 

 

Lucy Foley hat in der Verlagsbranche gearbeitet, bevor sie ihren großen Traum wahr machte und sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre beiden Thriller »Neuschnee« und »Sommernacht« wurden zu riesigen internationalen Erfolgen und standen wochenlang auch auf der deutschen Bestsellerliste. Wenn sie nicht gerade mörderisch spannende Plots entwickelt, reist Lucy leidenschaftlich gern – zum Beispiel nach Paris. Ein Aufenthalt in einem alten Stadthaus in Montmartre inspirierte sie zu »Abendrot«. Lucy Foley lebt in London.

 
 
 
 
 
DEUTSCHE ERSTAUSGABE
Aus dem Englischen von Ivana Marinović
Originaltitel: The Paris Apartment
Originalverlag: Harper Collins, London 2022
Paperback , Klappenbroschur, 480 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-328-60228-6
Erschienen am  25. Juli 2022
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