Politik: Das Ende des Wartens
Erleichterung, Hoffnung, Skepsis: Die Reaktionen auf die deutsche Wahl fallen gemischt aus. Wir berichten aus Frankreich, Polen und den USA.
Hoffen auf „Trittbrett-Effekt“
Die Union, die am kommenden Montag die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes für die am 23.Februar stattfindende Abstimmung mit ihrem 37. Bundesparteitag in Berlin einläutet, hofft im Schlußspurt auf den in der politischen Psychologie für den vermeintlichen Sieger auftretenden „Bandwagon-Effekt“. Dabei geht es um die Mobilisierung von Mitläufern, die sich im „last minute-swing“ auf einen fahrenden Erfolgszug schwingen, die Hoffnung auf das Trittbrett.
Weltmacht D. und Friedensengel Sch.
Am 16. Dezember will Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Und sie verlieren, damit – wie angekündigt – am 23. Februar vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden können. So etwas gab es schon einmal in der Nachkriegspolitik. Nämlich im Herbst 1982 unter dem (ebenfalls sozialdemokratischen) Regierungschef Helmut Schmidt, dem danach der Christdemokrat Helmut Kohl folgte. Ob es für die CDU/CSU auch dieses Mal einen vergleichbaren Ausgang geben wird, entscheidet sich also Ende Februar. Wobei die jetzige Ausgangslage eine völlig andere ist. Seinerzeit hatten die Bundesbürger die Wahl zwischen drei Parteien. Heute sind es sechs. Darunter, mit der rechtsextremen AfD und dem schillernden Bündnis Sahra Wagenknecht, solche, deren überraschende Erfolge bei den jüngsten Landtagswahlen an der demokratischen Stabilität der bundesdeutschen Gesellschaft Zweifel aufkommen lassen...
Des Kanzlers schweres K-Problem
Autoritäre Herrscher pflegen ihre internen Rivalen auf Auslandsreisen mitzunehmen, um sie unter Kontrolle zu halten und Umstürze zu vermeiden. Solche Reiseplanungen sind freilich einer Demokratie unwürdig, sonst hätte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem G 20-Gipfel in Rio de Janeiro auf seinen Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht verzichtet. Der in Mexiko vorgesehene Anschlussbesuch des Kanzlers wurde aber sicherheitshalber abgesagt. Allzu lange will Scholz der deutschen Hauptstadt und seiner Parteibasis, in der es „grummelt“, nicht fernbleiben. Denn es geht (im politischen Sinn) um seinen Kopf.
Spalter-Sphinx Sarah Wagenknecht
Sie hat ihr Projekt betrieben wie die Markteinführung eines neuen Schokoriegels. Kaskaden von Ankündigungen, Herstellung eines Spannungsbogens, Interviews, Buchveröffentlichungen, schließlich die Feier der Offenbarung. Für jemanden, der einmal die „Kommunistische Plattform“ der PDS verkörperte, besitzt Sahra Wagenknecht eine erstaunliche Affinität zu Methoden des „kapitalistischen“ Marketings. Was mindestens ebenso sehr erstaunt, ist, dass sie die in ihren Kreisen verbreitete Vorliebe für kollektivistische Organisationsformen so gar nicht teilt. Das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ ist eine Solonummer, die man in Handlungsanleitungen für sozial- oder christdemokratische Nachwuchspolitiker nicht finden würde. Aber diese Solonummer könnte die Bundestagsarena und deren politisches Personal gehörig durcheinander wirbeln.
Weirichs Klare Kante
Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr war zeitlich verknüpft mit der Entscheidung über den neuen Bundestag. Der Urnengang über den Senat verlief seinerzeit berlinerisch - mit anderen Worten: chaotisch. Falsche oder gar keine Wahlzettel, Tohuwabohu in den Stimmlokalen usw. Jetzt beschäftigt sich das Landesverfassungsgericht an der Spree mit der Angelegenheit. Eigentlich dürfte es keln anderes Urteil geben also die Anordnung von Neuwahlen. Nur dadurch könnte das Vertrauen der Bürger wieder hergestellt werden.
Zeitenwende in Deutschland?
Politische Zeitenwende in Deutschland? Erstmals seit 16 Jahren eine Bundestagswahl ohne Angela Merkel als Kandidatin. Am Ende: Schwere Schlappe für CDU/CSU und Armin Laschet. Sieger: Olaf Scholz und die SPD, dazu auch die Grünen und die Freien Demokraten. Aber gewonnen ist tatsächlich noch gar nichts. Oder vielleicht allerhöchstens ein bisschen. Nun liegen die Zahlen und Namen auf dem Tisch. In vielen Kommentaren heißt es, eine „Zeitenwende“ habe stattgefunden. Ist das wirklich der Fall?
Weirichs Klare Kante
Selten waren sich die Deutschen so uneins über Parteien und Kanzlerkandidaten wie bei der jüngsten Bundestagswahl. In einer Frage allerdings gab es schon vor der Abstimmung einen zwei Drittel der Bürger umfassenden Konsens. Der Deutsche Bundestag war nach Auffassung des Wahlvolks schon vor dem Wahltag zu groß. Nachdem aber das Parlament nun noch einmal von 709 auf 735 Mandatsträger angewachsen ist, gilt dieser Einwand erst recht.
Weirichs Klare Kante
Bereits vor der Bundestagswahl steht ein Verlierer fest: Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk. Die durch einen Pflichtbeitrag der Bürger, also eine Art Steuer, finanzierten Sender von ARD und ZDF sind nach den Rundfunkgesetzen zu einer ebenso umfassenden wie ausgewogenen (also fairen) Berichterstattung verpflichtet . Sie sollen Orientierung geben und die Wähler bei der politischen Urteilsbildung begleiten. Informierend statt belehrend. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Zahlreiche "brennende" Probleme werden aus "politischer Korrektheit" und/oder ideologischer Voreingenommenheit gar nicht behandelt.
Weirichs Klare Kante
Folgt man jüngsten demoskopischen Erhebungen, so fragt das Publikum mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September nach Kompetenz und klaren Zukunftskonzepten. Doch worüber wird erregt diskutert, ja sogar gestritten? Über tatsächliche oder angebliche Plagiate in Politikerbüchern, die niemandgelesen hat. Über die vorgebliche Notwendigkeit, mit "Gendern" in der deutschen Sprache Gerechtigkeit (zwischen wem auch immer) herzustellen. Der Vorwurf gilt nicht nur "der Politik". Er gilt auch der Gesellschaft insgesamt.