Politik: Anzeichen von Panik

Aggressiver Trump, wackliger Biden: Müssen die Demokraten nach dem TV-Duell ihren Kandidaten auswechseln? Knut Dethlefsen berichtet aus Washington.

Als „Jahrhundert-Debatte“ angekündigt, konnte das Fernsehduell zwischen Donald Trump und Präsident Biden dem Hype nicht gerecht werden. Der Schlagabtausch hat vor allem die Wählerinnen und Wähler bestätigt, die unzufrieden sind mit der Auswahl, die sie bei dieser Präsidentschaftswahl haben. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner wollen schlicht beide Kandidaten nicht als Präsidenten sehen. Wahrscheinlich ist diese Gruppe – die Double Haters – in der vergangenen Nacht weitergewachsen.

Ein politisches Feuerwerk wurde beim TV-Duell zwischen Biden und Trump wahrlich nicht abgebrannt.

Die Debatte ließ viele Zuschauer unzufrieden zurück und war weit weg von dem, was die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner umtreibt: hohe Lebenshaltungskosten, die Sorge um die eigene ökonomische Zukunft, aber auch das Bangen um die Sicherheit des Landes. Was sind die Perspektiven für die Zukunft der USA? Genau darüber haben die Zuschauer während des Duells sehr wenig erfahren. Donald Trump griff den wackligen Präsidenten Biden während der 90-minütigen Debatte wiederholt auf aggressive, oft irreführende Weise an und bot damit Millionen von Wählern einen starken Kontrast zu Bidens wiederholt unzusammenhängendem Auftritt. Trump versuchte alles, Biden mit der Behauptung in Verbindung zu bringen, die USA würden von Horden Krimineller und Geisteskranker regelrecht überschwemmt und stünden daher kurz vor dem Kollaps. Für die Misere sei einzig und allein der amtierende Präsident verantwortlich.

Die Moderatoren des Fernsehsenders CNN agierten insgesamt nicht besonders kritisch. Vor allem aber stellten sie Falschaussagen nicht richtig und fassten auch nicht scharf nach, als Donald Trump seine Lügen verbreitete und wiederholt die Wahrheit zu seinen Gunsten verdrehte. Großkotzig, aber souverän stellte Trump sich selbst als großartigen Präsidenten dar und zeichnete gleichzeitig ein apokalyptisches Bild von den USA. In völliger Selbstüberschätzung behauptete er, dass die Krisen dieser Welt wie der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nicht stattfinden würden, wenn er noch Präsident wäre, und er stellte sofortige Lösungen in Aussicht, sollte er zum Präsidenten gewählt werden. Dabei verunglimpfte Trump Joe Biden als unfähig und schwach. Beim Lügen und Attackieren wirkte Trump robust, so wie er eben leibt und lebt. Jegliche Verantwortung für den versuchten Staatsstreich am 6. Januar 2021 und für die aus dem Ruder gelaufene Covid-19-Pandemie mit über einer Million Toten stritt er ab und ließ sich auch nicht festlegen, die Wahlergebnisse der diesjährigen Präsidentschaftswahl anzuerkennen. Die meisten Fragen beantwortete er einfach gar nicht.

Joe Biden gelang es nicht wirklich, die Errungenschaften seiner Präsidentschaft herauszuarbeiten.

Die New York Times berichtete unmittelbar nach dem Showdown, dass viele Demokraten die Debatte fast ungläubig verfolgt hätten, weil ihr Kandidat Joe Biden so schwach wirkte. Die meisten Amerikaner machen sich zwar Sorgen um die mentale Fitness beider Kandidaten und fragen sich, ob diese einer zweiten Amtszeit überhaupt gewachsen sind. Nur schneidet Biden dabei deutlich schlechter ab. Das bleibt ein großes Manko für den Wahlkampf der Demokraten. Zwar hat Biden in der Debatte nicht gepatzt, aber er wirkte defensiv und konnte die Sorgen um sein Alter nicht annähernd ausräumen. Der Präsident arbeitete sich vor allem an den Lügen Trumps ab, während die Moderation völlig unbeteiligt blieb. In der vergangenen Nacht wurde noch einmal deutlich: Sowohl die Demokraten als auch die seriösen Medien haben bisher keinen Weg gefunden, wie sie Trump effektiv stellen können, denn er bricht alle Regeln und für ihn spielen Recht und Wahrheit einfach keine Rolle. Auf sein Alter angesprochen, redete Trump einfach davon, was für ein großartiger Golfspieler er sei. Des Weiteren gab er damit an, dass er jeden Demenztest bestehen würde, was aus seiner Sicht gar nicht so einfach sei. Ein besonders surrealer Moment in den insgesamt sehr zähen anderthalb Stunden.

Joe Biden gelang es nicht wirklich, die Errungenschaften seiner Präsidentschaft herauszuarbeiten oder überzeugende Botschaften für eine zweite Amtszeit zu setzen. Nur einmal erwähnte er, dass Trump von einem Geschworenengericht rechtskräftig verurteilt wurde. Biden versuchte, Trump als Gefahr für die Demokratie, ja als Gefahr für die USA selbst darzustellen. Wirklich gelungen ist es ihm jedoch nicht. 

Hinter vorgehaltener Hand sprechen die ersten Demokraten jedoch bereits darüber, ob es wirklich klug sei, Joe Biden im August offiziell für die Präsidentschaft zu nominieren. Der liberale Economist beschreibt Bidens Performance als „absolutes Desaster“. David Axelrod, langjähriger Berater von Barack Obama sprach sogar von „Panik“ aufseiten der Demokraten. Doch es ist Biden, der die breite Allianz der Demokraten bisher zusammenhält. Und es ist auch Biden, der konservativen und unabhängigen Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit gibt, ihn als kleineres Übel zu wählen. Seine fragile Redlichkeit spricht eben auch an, auch wenn sie im Moment der Debatte schwach wirkt. Aber klar, Biden reißt niemanden vom Hocker. Seine starken Momente hatte der Präsident, als es um den Zusammenhalt der NATO, um die Verteidigung der Freiheit und um die Potenziale der USA ging.

Die diesjährige Fernsehdebatte war ungewöhnlich früh, eigentlich finden die Debatten beim Ringen um die US-Präsidentschaft in der heißen Wahlkampfphase im Herbst statt. Wahlen werden in den USA selten in den TV-Duellen entschieden. Und bis November ist es noch ein langer Weg. Daher gibt es noch immer eine gute Chance, dass die amerikanische Wählerschaft bei einer binären Wahl zwischen Anstand und Egomanie mehrheitlich eine kluge Entscheidung trifft.

Knut Dethlefsen leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington, D.C. Zuvor leitete er die Büros der FES in Warschau, Ost-Jerusalem und Shanghai.

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