Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Barbara Vine: Königliche Krankheit

Barbara Vine

Die als Ruth Rendell geadelte britische Krimiautorin nimmt als Insiderin sehr vergnüglich Prozedere und Alltag im House of Lords als Rahmen für ihre Geschichte. Sie war bis zu ihrem Tode 2015 dort aktiv, weiß also sehr genau, was sie schildert.

Sie schlüpft im Roman in die Rolle eines männlichen Mitglieds des Oberhauses. Dieser Lord recherchiert die Lebensgeschichte seines Urgroßvaters, Henry Nanther, einem der Leibärzte Queen Viktorias, weil er seine Biographie verfassen will. Er hat eine ganze Truhe mit Fotos, Tagebüchern und Dokumenten geerbt, die er einzeln überprüft. Einiges an den Tagebüchern ist geheimnisvoll. Dabei lernt er unbekannte Familienmitglieder kennen und besucht die Schauplätze.

Während sich das Leben aus Puzzleinformationen allmählich zusammensetzt und der Leser teilhat an jedem Gedankengang, muss der Mann aktuelle Probleme zuhause bewältigen. Seine jüngere Frau erleidet eine Fehlgeburt nach der anderen und das Paar erlebt eine Achterbahn der Gefühle. Das Auf und Ab von Hoffnung und Enttäuschung ist zwar abwechslungsreich formuliert, Vine walzt die vorgespielte Vorfreude des Mannes, der bereits mit dem Sohn aus erster Ehe genug an Kindern hat, und die Reaktionen der Umgebung so breit aus, dass es den Fortgang der Biografie etwas bremst.

In den Rechercheschritten verknüpft Vine genealogische Vorgehensweise mit Medizingeschichte. Der Urgroßvater Henry war im 19. Jh. Spezialist auf dem Gebiet der Bluterkrankheit. Der Biograph stellt die damaligen Kenntnisse über die Vererbung der Krankheit dar, er checkt die Familienmitglieder hinsichtlich Überträgerinnen, Opfer und Motive der Partnerwahl und reist sogar in die Schweiz. Die meisten Leser werden vermuten, dass die Lady auch den Gendefekt haben könnte.

Merkwürdige Todesfälle, Zufälle und Charaktere werden beleuchtet. Es geht um verhinderte Verlobungen, Unfälle und zerbrochene Herzen, durchaus spannend erzählt, Vine konnte selbst aus dem sprödesten Stoff einen spannenden Roman machen.

 

Diogenes Verlag

Taschenbuch
592 Seiten
erschienen am 01. September 2005

978-3-257-23481-7
€ (D) 12.90 / sFr 18.90* / € (A) 13.30
* unverb. Preisempfehlung

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