Hannah Herzsprung © Wild Bunch Germany

18 Jahre nach “Vier Minuten” geht Regisseur Chris Kraus der Frage nach, was aus Jenny geworden ist, wie eine sensible Künstlerseele mit Aggressionspotential 15 Jahre eingesperrt so etwas aushalten kann. “15 Jahre” ist eine filmische Vergangenheitsbewältigung der Hauptfigur, die versucht mit ihrem eigenen Leben aufzuräumen. Regisseur Chris Kraus steckt in seine Fortsetzung von “Vier Minuten” alles rein. “15 Jahre” erzählt eine Liebesgeschichte zwischen Jenny und Omar, es ist ein Rachedrama, ein Film über Integration, über Kriegsflüchtlinge – und am Ende auch noch eine Casting-Show-Satire. Das wirkt mitunter überfrachtet, zu sehr gewollt und überladen. Allerdings – und das ist schon wie bei “Vier Minuten” – wächst die Schauspielerin Hannah Herzsprung in der Rolle als Jenny von Loeben über sich hinaus. Wie sie eins wird mit ihrer Figur mit all ihren Ecken, Kanten und Wutausbrüchen, ist ein Erlebnis. Herzsprung wird zu einer schauspielerischen Naturgewalt, für die allein es sich lohnt ins Kino zu gehen.

Liebe oder Zweckgemeinschaft: Jenny (Hannah Herzsprung) und Omar (Hassan Akkouch). ©Wild Bunch Germany

In ihrer Jugend war die Pianistin Jenny (Hanna Herzsprung) ein musikalisches Wunderkind, doch das Leben meinte es nicht gut mit ihr. Nach 15 Jahren Haft wegen eines Mordes, den sie nicht begangen hat, ist von ihrem Talent nur Wut und Erinnerung geblieben. Auch mit 42 Jahren wirkt Hannah Herzsprung als Jenny noch wie eine tickende Zeitbombe, ihr Gesicht ist fahl und verhärmt, die Züge verhärtet, der Glanz ihrer Augen erloschen, jede Faser ihres Körpers, jede Geste, jede Mimik verrät die vergiftete Mischung aus Resignation und Rachehunger. Und jederzeit kann die unbändige Wut aus ihr hervorbrechen: Eine falsche Bemerkung oder ein kleiner Fehler und sie wird zum reißenden Tier, das mit verletzenden Worten, aber auch mal mit einer Eisenstange um sich schlägt, einer Kollegin fast das Ohr abreißt und sogar ein wertvolles Musikinstrument rücksichtslos durch die Luft kickt. Hannah arbeitet als Reinigungskraft, und dieser Job führt sie eines Tages zurück an ausgerechnet den Ort, an dem alles begann: das Konservatorium. Hier wurde sie einst am Piano unterrichtet und als Wunderkind gefeiert. Mit Harry (Christian Friedel) ist heute einer ihrer früheren Bewunderer als Musiklehrer am Konservatorium tätig, der nicht akzeptieren will, dass Hannah nicht mehr spielt und ihr Talent vergeudet. Und so bringt er sie mit dem syrischen Geflüchteten Omar (Hassan Akkouch) zusammen. Er hat in der Heimat einen Arm verloren, kann das Klavier nicht mehr selbst spielen und singt nur noch dazu. Gemeinsam sollen die zwei bei der vor Zynismus nur so triefenden Castingshow “Unicorn” für Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen auftreten, bei der Popstar Gimmemore (Albrecht Schuch) in der Jury sitzt.  Jenny erkennt, das ihre Jugendliebe, einst verantwortlich für ihr Martyrium, unter dem Künstlernamen Gimmiemore ein international gefeierter Star geworden ist. Das überwältigende Bedürfnis nach Rache gefährdet ihre fragile Übereinkunft mit Gott und ihre Beziehung zu dem syrischen Musiker (Hassan Akkouch) , der Jenny ehrliche Zuwendung und Vertrauen entgegenbringt. Sie provoziert die Wiederbegegnung mit ihrem einstigen Peiniger und Geliebten und es kommt zu einem intimen Duell auf Leben und Tod.

 

“15 Jahre”
Genre: Drama
Produktionsjahr: 2023
Produktionsland: Deutschland, Österreich, Luxemburg
Zusatzinfo: Mit Hannah Herzsprung, Hassan Akkouch, Albrecht Schuch u.a.
Regie: Chris Kraus
Länge: 144 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Kinostart: 11. Januar

 

 

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