Rezension von Dr. Aide Rehbaum

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Karin Feuerstein-Praßer: Alice von Battenberg – Die Schwiegermutter der Quee
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Karin Feuerstein-Praßer © privat / Piper Verlag

Die für etliche Biographien bekannte freie Historikerin stützt sich hauptsächlich auf Informationen Rainers von Hessen, das Großherzogliche Familienarchiv, das Staatsarchiv Darmstadt, Krankenakten und Lebenserinnerungen anderer Familienmitglieder. Die Queen wurde für diese Biographie nicht interviewt.

Die von Geburt an taube Alice (1885-1969) wurde von ihrer Mutter Victoria zur Disziplin angehalten, so dass sie von den Lippen zu lesen lernte. Viele Jahre verbrachte sie als erwachsene Frau und Mutter von fünf Kindern in Sanatorien. Schwägerin Marie Bonaparte (bekannte Psychoanalytikerin) stellte zuerst die seelische Störung bei Alice als Erkrankung fest und bezog Freud als Ratgeber mit ein.

Leser werden sich vielleicht früher gefragt haben, warum die Balkan-Staaten sich ausländische „Typen“ ins Land holten, statt die Gelegenheit zu ergreifen und sich z.B. im Falle Griechenlands frühzeitig wieder der Demokratie zuzuwenden. Aber offenbar war weder die Zeit dazu reif, noch hatte ein Einheimischer Lust, den abgewirtschafteten Karren der Osmanen aus dem Dreck zu ziehen. Die unmündige Gesellschaft suchte Ersatzvaterfiguren. Wo war die einheimische selbsternannte Elite? Dabei waren die Leihmonarchen oft nur repräsentativ mit bescheidener Macht, wurden mehrfach mal ins Exil geschickt, dann wieder zurückgeholt oder fielen Attentaten zum Opfer.

Kein Wunder, dass Queen Viktoria die Lücken nutzte, um ihre Verwandten, die sie vorher taktisch verheiratet hatte, an die Schaltstellen zu schicken. Wenn es dann passte, half man ihnen wieder aus der Bredouille, unterstützte sie finanziell (eingeheiratete reiche bürgerliche Schwägerinnen taten das Übrige) oder quartierte sie in abgelegene Liegenschaften ein und verstaute die Kinder in Internaten. Kam es gerade ungelegen, oder fürchtete man ums eigene Ansehen beim Volk, wie im Falle Zar Nikolaus II., dann half man auch nicht.

Die armen Tröpfe, die sich im Exil zu Tode langweilten, verfielen dem Alkohol, litten unter dem Statusverlust oder im Extrem – wie im Falle der Königin von Griechenland a. D. – eben Alice von Battenberg – an manischer Schizophrenie. Sie war eigentlich Enkelin einer Mesalliance am russischen Hof. Ihr Urgroßvater war polnischer General und erst vierzehn Jahre vor Alices Geburt für seine Verdienste geadelt worden.

Elisabeth II. stand der schrulligen Alice, die sich als Nonne verkleidete ohne eine zu sein, zwiespältig gegenüber, ließ sie aber auf Bitte ihres Mannes die letzten Jahre ihres Lebens im Buckingham Palace wohnen. Der Autorin gelingt ein konzentrierter Überblick über die Familienverstrickungen der europäischen Aristokratie, wobei die Stimme der Betroffenen selbst kaum zum Tragen kommt..

 

Piper Verlag GmbH

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 02.11.2020
256 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31545-6
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