„Wir haben ganz schön was erlebt…“
Man könnte sicher ohne Risiko eine Wette eingehen, dass am Ende jedes Gesprächs mit ihm der Satz stehen wird: „Sei ehrlich – wir haben in unserer Zeit ganz schön was erlebt…“ Friedrich Nowottny ist nicht erst jetzt zu dieser bedeutungsschweren Erkenntnis gekommen, denn die Jahrzehnte seines Lebens waren schließlich nicht bloß erfüllt von historischen Begebenheiten – sie waren nicht selten geradezu erschüttert davon. Am 16. Mai ist „Fritze“ (wie ihn seine Freunde nennen) nun 95 Jahre alt geworden.
Fragwürdiger „Demokratie-Tüv“
Willy Brandt wollte 1972 als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler „mehr Demokratie wagen“. Olaf Scholz will mehr ein halbes Jahrhundert später mit seiner Ampel-Regierung die durch Extremismus und Spaltung der Gesellschaft gefährdete Demokratie sichern. Geplant ist ein sogenanntes „Demokratiefördergesetz“, mit dem zivilgesellschaftliches Engagement gegen die Feinde der Freiheit unterstützt werden soll. Betrachtet man sich die pathetische Wortwahl rot-grüner Protagonisten des Gesetzes, kommt der Plan im Jakobiner-Gewand daher. Man hat den Eindruck, dass feurige Demokraten die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes als zentrale Aufgabe der Zukunft mit erheblich mehr öffentlichen Mitteln als bisher schützen wollen.
Führung gesucht. Aber wo?
Wer kennt sie nicht, die Szene am (sagen wir) sonntäglichen Mittagstisch. Die (bereits mehrere Generationen umfassende) Familie sitzt nach dem opulenten Mahl zum gemütlichen Plausch beisammen. Gerade ist der Senior dabei, temperamentvoll einen Schwank oder eine Begebenheit aus früheren Jahren zu Gehör zu bringen. Offensichtlich aber finden die beiden Youngster weder das Eine, noch das Andere sonderlich cool. „Komm“, sagt der Jüngere, „lass uns gehen. Opa erzählt wieder mal vom Krieg“. Zugegeben, die Zote ist nicht neu und deshalb auch nicht mehr sonderlich originell. Allerdings hat sie damit keineswegs an innerer Wahrheit verloren.Denn Opa könnte nicht nur von Stalingrad berichten, sondern auch vom Hunger nach dem Krieg, von Wiederaufbau und Entbehrung. Und von Persönlichkeiten, denen wir unsere Freiheit, und Demokratie verdanken. Wo gibt es heute solche Köpfe?
Die Pionierin
Die unlängst, kurz nach ihrem 80. Geburtstag verstorbene Heide Simonis hat nicht nur eine große Lücke in der deutschen Politik und Gesellschaft hinterlassen. Zu ihrem Erbe gehört vielmehr auch eine Gesellschaft, an deren Fortentwicklung die Sozialdemokratin erheblichen Anteil besitzt. Das gilt vor allem für die deutlich feststellbar angewachsene Teilnahme von Frauen an den vielfältigsten Entscheidungsbereichen. Die gebürtige Bonnerin und promovierte Volkswirtin ging mit der Devise voran, dem eigenen Können und Wissen zu vertrauen - völlig losgelöst vom Geschlecht. Als erste Ministerpräsidentin eines deutschen Bundeslandes war sie eine Pionierin und schrieb Geschichte.
Der Tag als die Mauer fiel
Der 9. November ist ein magisches Datum in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Am 9. November 1918 wurde in Berlin von dem Sozialdemokraten Philipp Scheidemann die Republik ausgerufen. Fünf Jahre später, am 9. November 1923, erlebte München den Hitler-Ludendorff-Putsch. Es war das erste Mal, dass die nationalsozialistische Bewegung international wahrgenommen wurde. Wir wissen nicht, ob die beiden Putschisten damals als Vorbild den Staatsstreich vom 18. Brumaire im Sinn hatten, bei dem sich am 9. November 1799 Napoleon in Frankreich an die Spitze des cäsaristischen Systems gestellt hatte. Am 9. November 1938 erlebte das nationalsozialistische Deutschland überall im Lande antijüdische Pogrome, die die Nazis verharmlosend „Kristallnacht“ benannten. Und dann endlich - am 9. November 1989 – der glückhafte Moment, als in Berlin die Mauer fiel, die die Stadt seit 1961 gespalten hatte.
Vor 40 Jahren: Dramatisches Ende von SPD/FDP
Der 17. September 1982 war ein Freitag. An sich ein ganz gewöhnlicher Tag. Aber trotzdem ein Datum, das in die Geschichtsbücher gehört. An diesem Tag zerbrach nämlich, nach 13 Regierungsjahren in Bonn das zunächst mit hochfliegenden Versprechungen und entsprechenden Erwartungen („Wir wollen mehr Demokratie wagen“) versehene sozialliberale Bündnis aus SPD und FDP. Jenes „Reform“-Konstrukt aus politisch runderneuerten Sozial- und Freidemokraten also, das 1969 mit hauchdünner Mehrheit die erste Große Koalition unter dem schwäbischen CDU-Mann Kurt-Georg Kiesinger abgelöst und damit – gleichsam symbolhaft – die Adenauer-Ära beendet hatte. Es war ein dramatisches Ende in einem dramatischen Zeitabschnitt mit nicht minder dramatischen Auswirkungen vor allem auf die deutsche Innenpolitik. Unter anderem schlug damals die Geburtsstunde einer neuen „Bewegung“ - der Grünen.
Vom „Erbfeinden zu schwierigen besten Freunden (2)
Von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer bis Olaf Scholz und Emmanuel Macron - von historischen Erfahrungen und tiefen Gefühlen zu nüchterner Verwaltungspolitik in Berlin und Paris, das deutsch-französische Verhältnis hat Höhen und Tiefen, Spannungen und Freudentage erlebt. Die Geschichte vom Wandel der einstigen "Erbfeinde" in eine zwar immer wieder schwierige, aber doch inzwischen tiefe und solide Freundschaft - sie gilt es zu pflegen und zu bewahren. Aber dazu muss jede Generation den Wert erkennen.
Das SPD-Gedächtnis und seine Kellermeister
Mehr als 150 Jahre alt ist die SPD. Sie ist damit die älteste deutsche Partei. In diesen anderthalb Jahrhunderten ist viel passiert. Entsprechend lang und vielseitig ist das "Gedächtnis" der Sozialdemokratie. Ein Gedächtnis, das in mehr als 50 Kilometer Akten, in tausenden von Plakaten, in Hinterlassenschaften großer und großartiger Persönlichkeiten in den Untergeschossen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn lagert - verwaltet und gepflegt von zahlreichen archivarisch geschulten Kellergeistern.
Bonn hat sehr gut überlebt
Vor 20 Jahren verlor Bonn seines Status als Bundeshauptstadt endgültig. Da zog der größte Teil der regierungsamtlichen Leitungsebenen nach Berlin an die Spree. Am Rhein herrschte Endzeitstimmung. Und heute? Nein, Bonn ist nicht untergegangen, sondern moderner, jünger und wirtschaftlich attraktiver als vorher Und es ist international geblieben durch die Ansiedlung wichtiger UNO-Referate. Eijn Spaziergang durch die Realität und die Erinnerung.
Heiner Geißler – ein großer Streiter ist tot
Heiner Geißler ist tot. Er starb mit 87 Jahren. Mit dem Christdemokraten verliert nicht nur die deutsche Politik eine jahrelang prägende Persönlichkeit. Geißler war ein großer Streiter, aber er war auch Moralist und ein unermüdlicher Kämpfer für Demokratie und Gerechtigkeit. Zufall oder Fügung? Der Pfälzer starb nur wenige Wochen nach Helmut Kohl, dem anderen großen Pfälzer. Zwei Menschen, die einst freundschaftlich eng verbunden und zum Schluß erbitterte Gegner waren.