Eigentlich wollten Georg M. Hafner und Esther Schapira ein „Schwarzbuch Antisemitismus“ schreiben. Es wurde ein völlig anderes Werk. Als Motiv gehören sicher auch die Proteste gegen den Gaza-Krieg Mitte 2014 zur Änderung des Ansatzes. Da wurde schon mal: „Hamas, Hamas – Juden ins Gas“ gerufen. Alles sah, hörte zu und…. nichts geschah! Da darf man durchaus, gerade in Deutschland, ins Grübeln kommen. Oder haben hier nur die politisch Korrekten gerufen, die man gewähren lässt?

Anti-Israel-demo-2014, berlin
Anti-Israel-Demo Berlin 2014
(Foto: Boris Niehaus / http://1just.de/ CC BY NC ND 4.0.)

Die „68er-Generation“ spielt für die Autoren eine Schlüsselrolle.

Ist nun die „68-Generation“ mit ihrer eher verquasten ideologischen Sicht auf den Nahen Osten und die USA die Nährwurzel für einen latenten Antisemitismus hierzulande? Ein Trauma der unvollständigen Aufarbeitung von Nazideutschland? Man kann es durchaus auch dort verorten.

Arafat als Held und das Pali-Tuch als ein Zeichen des Antiimperialismus sind allerdings dürftige Gründe, Israel an ein „Kreuz“ zu nageln. Das sieht auch das arabische Israel – ja, das gibt es! – eher kritisch. Die Angriffe der Hamas werden zum rechtmäßigen Widerstand der arabischen Völker gegen den „zionistischen Kolonialismus“ oder gar zu Größerem verklärt. Hier gehen die Autoren ziemlich hart ins Gericht. Man spürt deutlich, dass ihnen das Gejammer über „die armen Palästinenser“ auf den Geist geht. Der Hinweis, ob diese durch ihre eigene Regierung nicht einen Teil dazu beitragen, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen.

E. Schapira - Georg M. haffner
E. Schapira – Georg M. Haffner
Foto: Bastei-Lübbe

Sehr genau hören beide hin, wenn über Israel in Deutschland gesprochen wird. Schimon Stein, der frühere Botschafter Israels in Deutschland, erzählte einmal von einer Szene bei der Begrüßung eines deutschen Politikers: „Ich bin übrigens für die Existenz Ihres Staates.“. Stein antwortete: „Das ist schön, ich bin auch für die Existenz Ihres Staates.“ Nur Israelis werden so begrüßt.

Die Differenzierung in Bezug des auch arabischen Israelis wird erkennbar schwächer. Die Instrumentalisierung der Flucht und teilweisen Vertreibung der Palästinenser aus dem britischen Mandatsgebiet ist durchaus ein Trauma für beide Seiten. Hier tun sich die sonst sehr scharfzüngigen Autoren auch optisch schwer. Die Nakba, diese Vertreibung bei der Gründung des Staates Israel, wird stoisch in Anführungszeichen dargestellt. Dieses erinnert an die Amnesie einiger Staaten, auch um uns herum, zum Thema Vertreibung. Dieses anzuerkennen, sollte in einer aufgeklärten Zeit möglich sein.

Israel ist an allem SchuldEsther Schapira, 1961 in Frankfurt geboren, gesteht: „In Sachen Israel bin ich befangen“. Ob es dieses breite Bündnis des versteckten Antisemitismus, das die beiden Schreiber sehen, in Wirklichkeit so gibt, glaube ich nicht. Bedeutsam ist jedenfalls in diesem Zusammenhang, dass alle wichtigen gesellschaftlichen Gruppen im Deutschland, einschließlich der Religionen und Parteien, in dieser Abwehrhaltung darin vereint sind. Vielleicht allerdings auch deshalb die Nichtdiskussion um latenten Antisemitismus. Welcher stramme Linke oder Antifaschist will sich schließlich dort mit Neonazis, auch aus dem arabischen Raum, wiederfinden?

Ob notorische Israelkritiker, „Imperialismusgegner“ oder Zionisten bei der Lektüre dieses Buches über ihre Ressentiments stolpern werden…? Bestimmte Terminologien neu zu betrachten und einen „gut gemeinten Satz“ vielleicht anders zu bewerten, sollte doch möglich sein.

Fazit: Lesenswert mit möglicher Langzeitwirkung. Angesichts der derzeitigen Lage freilich eher eine unverbesserliche Hoffnung….

 

DAS BUCH:
Georg M. Hafner, Esther Schapira:
„Israel ist an allem schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird“
Eichborn, Köln 2015, 320 S., 19,99 Euro

Paul Pawlowski

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