Rezension von Dr. Aide Rehbaum

Der neueste Roman von Ingrid Noll erinnert an manchen Krimi aus der Anfangszeit des Fernsehens, als Action noch ein Fremdwort war und schon Ansätze von Spannung zum Straßenfeger führten.

Ingrid Noll ©Renate Barth-Diogenes

In der Rahmenhandlung treffen Holda (82) und ihre Enkelin Laura aufeinander. Während Holda aus ihrer Jugendzeit erzählt, haken sie die bekannten Absonderlichkeiten der Wortwahl und des Alltags verschiedener Generationen ab, garniert mit Einsprengseln Bönnschen Dialekts. Lokalkolorit vermitteln die Kulissen Bad Godesbergs und Bonns. Das Bildungsniveau der beiden Tippsen Holda und Karin, die aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Verhältnissen stammen und nun in den Ministerien ihren ersten Job gefunden haben, ist überzeugend dargestellt. Die beiden jungen Frauen haben nur ein Interesse: die Jagd auf Ehemänner, von der sie nur kurzfristig durch Leichen und der Schnüffelei nach Agenten abgelenkt werden.

Passend zum beschaulichen Bild entwickelt sich allmählich die Kriminalhandlung und kehrt so manches sattsam bekannte Klischee über Politik, Mode oder Frauenbild zusammen. Manchmal kommen dem Leser Zweifel, ob es eine Satire sein soll, aber dafür sind die Charaktere wieder zu durchschnittlich.

Bei Spionage in der Adenauerzeit denkt man vielleicht an Sekretärinnen, denen der Stasi Führungsoffiziere auf den Hals schickte, um ihre Einsamkeit schamlos auszunutzen. Kalter Krieg, Gewissenskonflikte, Geheimnisverrat und fremdgehende Politiker, alle diese Versatzstücke lässt die Autorin beiseite. Ingrid Noll betrachtet die Oberfläche und die Toten sind Gegenstand einer Rätselaufgabe.

Dramatisches Material bleibt leider angedeutet, z.B. Karins Trauma im Zusammenhang mit ihrer Flucht aus den Ostgebieten. Die Protagonistinnen ermitteln betulich und laienhaft wie Erich Kästners Emil. Die mit der Autorin gleichaltrigen Leser genießen eventuell die nostalgische Rückschau, die Handygeneration wird eine fast biedermeierlich anmutende Beschreibung einer fernen gemütlichen Zeit entdecken. „Halali“ versucht eine unterhaltsame Gesellschaftsstudie der 50er Jahre mit kriminalistischen Elementen.

 

Diogenes-Verlag

Halali
Hardcover Leinen
320 Seiten
erschienen am 26. Juli 2017

978-3-257-06996-9
€ (D) 22.00 / sFr 30.00* / € (A) 22.70
* unverb. Preisempfehlung

- ANZEIGE -