Anadolu Hastanesi – Krankenhaus in Antalya

Es muss ja nicht gleich ein schlimmer Unfall sein wie kürzlich in Madeira. Reisende im fortgeschrittenen Alter, zumal wenn sie Vorerkrankungen haben, sind anfälliger gegen alles Mögliche. Malaria, Denguefieber oder Ebola? Nein, eine normale Klimaanlage reicht, um sich ganz profane Bakterien oder Viren einzufangen. Haben Sie sich schon mal ausgemalt, in einem orientalischen Lazarett zu landen? Keine Angst, die türkische Medizin hat sich seit der Belagerung von Wien weiterentwickelt.

Das Angebot

Schauplatz war eines dieser Billigangebote aus der Rundfunkzeitschrift, mit denen die Hotelanlagen am Mittelmeer aufgefüllt werden: eine Woche Besichtigung von Kappadokien, Unterkunft im Fünf-Sterne-Hotel und anschließend eine Woche Erholung an der Küste. Die Befürchtung, man wäre der Gruppe eine Last, weil das Herz keine Gewaltmärsche erlaube, zerstreute sich. Eine Dame an Stöcken gab das Tempo beim Spaziergang durch die Orangenplantage vor. Für sie wurde sogar zum Einstieg ein Treppchen an den 18-Mann-Korb des Heißluftballons angelegt, damit sie wie fast alle den Ausblick von oben genießen konnte.

Am dritten Tag kratzt es meinem Partner im Hals, entwickelt sich zum Hüsteln, zum trockenen Husten, der Kopf zieht sich zu, Hitzeschauer. Er versucht selber, damit klarzukommen, will keine Extrawurst sein. Sirup und Erkältungsmedikamente verhindern nicht, dass sich Fieber einstellt. Schließlich schmerzt jeder Hustenanfall im Brustkorb. Wadenwickel haben null Einfluss auf die Temperatur. Als er am achten Abend das Hotel in Antalya erreicht, ist Ende. Die Woche Erholung nimmt eine ungeplante Wendung.

Der Versicherungsfall

Ballonfahrt 6 Uhr früh zwischen Tufftürmen

Die Reisegesellschaft hat Vertragsärzte, der Notarzt liefert ins Krankenhaus. Nicht nur die Ambulanz ist pieksauber. Der Nachtdienst spricht Englisch. Kein Problem also, mein Türkisch würde für diese Situation nicht reichen. Der Röntgenbefund erzwingt längeren Aufenthalt. Lungenentzündung im fortgeschrittenen Stadium. Weder Betten im Flur, noch Vorhangabtrennungen in überfüllten Räumen, noch Kopftücher sind zu sehen. Zweibettzimmer. Tropf, Spucknapf, Überwachung der Life-Parameter, EKG, Ultraschall, das ganze Programm läuft schon nachts sehr freundlich und kompetent an. Sobald ein Alarm ertönt, kommt eine Schwester mit Inhalator und Sauerstoff.

Nun greift die Auslands-Krankenversicherung. Der ADAC nimmt direkt mit den Medizinern Kontakt auf. Eine hier ansässige Deutsche, ehem. Krankenschwester, dolmetscht bei jeder Visite und Untersuchung. Nachdem die Koffer aus dem Hotel geholt sind, ähnelt unser Zimmer einem Feldlager. Na ja, der Anblick des religionskompatiblen Essens verursacht ähnliche Haut, wie sie sich auf den gekochten Hühnerbeinen rollt. Zum Ruf des Muezzins und Humor rutschen sogar kalte Nudeln, Joghurt pur, ein Schälchen gefärbte Brühe oder salzlose Bohnen durch den Schlund. Sehr langsam bessert sich der Zustand.

Auf dem Wege der Besserung

Nevşehir, die Tufflandschaft mit vielen Beispielen für die Höhlenarchitektur in Kappadokien

Vier Tage später 70. Geburtstag. Als die Pfleger die fünf herzförmigen Luftballone sehen, die hinter dem Kopfkissen stecken, singen sie mit arabischem Vibrato: „Iki dogdun sevgili alman bey, doğum günün kutlu olsun“, schnipsen die Finger und Wedeln die Urinflasche. Geburtstagskindern hängt man ein gedrucktes Glücksklee an der Tür und nachmittags kommt ein Diabetikerkuchen. Um 23 Uhr fragt der diensthabende Arzt, ob Wünsche offen seien. Rotwein? Mittlerweile lachen auch wir wieder.

Bis zuletzt steht auf der Kippe, in welcher Lage der Rückflug stattfinden wird: sitzend in der regulären Maschine oder liegend im Learjet des ADAC. Kaffee treibt den Blutdruck an und Treppen-Steigen den Sauerstoffgehalt höher. Eine Stunde vor Abreisetermin heißt es: 96 Prozent Sauerstoffgehalt im Blut. Wir kriegen grünes Licht. Noch nie sind wir so schnell durch den Zoll: im Rollstuhl von einem Mitarbeiter des Roten Halbmonds geschoben. Eine solche Behandlung wie in Anatolien wäre in Deutschland für einen Kassenpatienten undenkbar. Seitdem kein Festtag ohne Grüße aus dem Krankenhaus.

Dr. Aide Rehbaum

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