Die Unschuld der Opfer. Kindheit im Zweiten Weltkrieg
Rezension von Dr. Aide Rehbaum
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Marilyn Yalom: Die Unschuld der Opfer. Kindheit im Zweiten Weltkrieg

Die an der Politik der Trump-Ära verzweifelnde Kulturhistorikerin hat sieben Lebensgeschichten hinterlassen, die posthum von ihrem Sohn in ihrem Sinne herausgegeben wurde, der die Personen ebenfalls kannte. Lebenslang nutzte Yalom ihr Geschick Menschen zusammenzuführen. Während sie selbst zu Kriegszeiten eine vergleichsweise wenig beeinträchtigte Kindheit erlebte, war es ihr ein Anliegen, die unterschiedlichsten ihrer intellektuellen Freunde, die aus Europa emigrierten, zu ihren Erlebnissen und Traumata und deren Einfluss auf ihr ferneres Leben zu befragen. Viele haben sich erst auf ihr Betreiben hin wieder mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt oder gerieten mehr oder weniger zufällig in den Fokus. Einige ihrer Weggenossen waren bei Veröffentlichung auch bereits verstorben. Insofern ist es eine willkürliche, sehr knappe Auswahl von Lebensläufen einer intellektuellen Oberschicht: Ärzten, Diplomaten, Literaten, Übersetzern. Wie gingen sie um mit Entbehrungen, Gefahren, dem Verlassen der Heimat, dem Verlust geliebter Menschen?
Die Auswahl erscheint willkürlich. Menschen jeder religösen Couleur und Nationalität haben für sie aufgeschrieben, allen gemeinsam, zwischen 1926 und 1938 geboren. Die Aufsätze bestätigen die bekannte Erkenntnis, dass jeder,
trotz der verschiedensten Strategien des Überlebens, auf seine Weise von seinen Erlebnissen irgendwann eingeholt wurde: Die einen stürzten sich wie besessen in die Arbeit, betäubten sich gar damit, lebten ihre Homosexualität aus, suchten sich Berufe, die besondere Empathie erforderten, oder kultivierten ihr diplomatisches Geschick. Auf jeden Fall engagierten sie sich, um die Welt in ihren Augen ein Stück zu verbessern. Besonders beeindruckt die Geschichte von Weiss, Sohn eines nationalsozialistischen Polizeibeamten, dem es gelingt, die Kinderperspektive einzunehmen. Manche Details waren so schrecklich, dass nachträglich die Erinnerung geschönt wurde.
Leider kam die Autorin selbst nicht mehr dazu, ihre Untersuchung auf eine breitere Basis zu stellen und eine ausführliche, kulturhistorische Betrachtung der Lebensläufe vorzunehmen. So bleibt die Auswertung des begrenzten Materials recht oberflächlich.
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