Ende Oktober könnte das Freihandelsabkommen CETA auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Die Chancen dafür stehen gut, denn die EU-Handelsminister haben dem Pakt, der künftig den Handel von Gütern und Dienstleistungen zwischen Europa und Kanada regeln soll, inzwischen die nötige Unterstützung signalisiert. Schon zuvor war es Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gelungen, die Vorbehalte seiner Partei gegenüber CETA auszuräumen.

Mit CETA, dem Comprehensive Economic and Trade Agreement, schreiben die EU und Kanada Geschichte. Denn es ist ein Freihandelsabkommen geworden, das neue Maßstäbe setzt: Es baut Handelsbarrieren ab, öffnet Märkte, sichert Wohlstand und Arbeitsplätze – und das in einem Ausmaß, wie es noch kein Freihandelsabkommen zuvor getan hat.

Wenn CETA in Kraft tritt, werden mehr als 99 Prozent der Zölle im Warenhandel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und Kanada wegfallen.

Für Deutschland ist dies eine gute Nachricht. Schließlich gingen im Jahr 2015 deutsche Waren im Wert von fast 10 Milliarden Euro gen Kanada, die ImporteDruck von dort beliefen sich auf 4 Milliarden Euro (Grafik). Die Kanadier kaufen in der Bundesrepublik vor allem Autos und Maschinen ein, während umgekehrt mehr als ein Fünftel der deutschen Einfuhren aus Kanada auf Rohstoffe wie Eisen- und Kupfererze sowie Ölsaaten entfällt (Grafik).

Aufgrund des Zollabbaus in CETA können europäische Unternehmen rund 470 Millionen Euro pro Jahr sparen.

Vom Zollabbau profitieren damit nicht nur die Hersteller industrieller Erzeugnisse. Auch für die Landwirtschaft ergeben sich Vorteile – wenn künftig beispielsweise verarbeitete Molkereierzeugnisse aus der EU zollfrei nach Kanada exportiert werden dürfen.

Aufgrund des in CETA vereinbarten Zollabbaus könnten die europäischen Unternehmen ungefähr 470 Millionen Euro jährlich einsparen.

DruckEinen anderen wesentlichen Fortschritt konnte die EU-Kommission im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens erzielen. Deutschland ist für Anbieter aus dem Ausland schon lange offen – diese beteiligen sich an öffentlichen Ausschreibungsverfahren unter denselben Bedingungen wie deutsche Unternehmen. Tritt CETA in Kraft, werden sich die kanadischen Provinzen und Kommunen bei ihrer Auftragsvergabe erstmals für europäische Anbieter öffnen.

Der deutsche Arbeits- und Sozialschutz bleibt gewahrt

Anders als vielfach befürchtet, ist CETA auch keine Agenda der Deregulierung. Bereits in der Präambel des Abkommens ist das Regulierungsrecht der Staaten festgeschrieben. Außerdem bekennen sich beide Vertragsparteien explizit zur nachhaltigen Entwicklung des Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltschutzes. Im Detail heißt das:

  1. An den Regelungen des deutschen Arbeitsmarkts wird nicht gerüttelt. Eine Arbeitsmarktklausel stellt sicher, dass die bestehenden Rechtsvorschriften aller Vertragsparteien zum Arbeits- und Sozialschutz in Kraft bleiben – einschließlich der Regelungen zum Mindestlohn und zu den Tarifverträgen. Dies ist übrigens auch im Interesse Kanadas, wo die Standards im Bereich Arbeit und Soziales ebenfalls sehr hoch sind: Kanada hat zum Beispiel bereits vor knapp 100 Jahren ein erstes Mindestlohngesetz erlassen.
  1. Auch das Prinzip der öffentlichen Daseinsvorsorge bleibt nach Inkrafttreten von CETA unangetastet. Denn die Vertragsparteien haben öffentliche Dienstleistungen – wie die Wasser- und Stromversorgung oder das Schulwesen – von jeglichen Liberalisierungspflichten ausgenommen. Auch die Rekommunalisierung, also die Rückkehr in Organisationsformen des öffentlichen Rechts nach einer Privatisierung, bleibt möglich, wenn die Kommunen dies für nötig halten.

Die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland – also die Betroffenen selbst – haben im September bereits bestätigt, dass die kommunale Daseinsvorsorge durch CETA nicht bedroht sei.

Bereits in der Präambel des CETA-Abkommens ist das Regulierungsrecht der Staaten festgeschrieben.

  1. Die kulturelle Vielfalt wird von CETA ebenfalls nicht tangiert. Die Vertragsparteien haben sich ausdrücklich der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung kultureller Vielfalt verpflichtet.
  1. Das europäische Vorsorgeprinzip bleibt gewahrt. Auch nach Inkrafttreten von CETA werden Produkte auf dem europäischen Markt erst dann zugelassen, wenn sie nachgewiesenermaßen unschädlich für die Gesundheit sind. Zudem sind handelsbeschränkende Maßnahmen, die das menschliche Leben, die Gesundheit sowie Tiere und Pflanzen schützen, weiterhin erlaubt.

CETA sieht ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht vor

  1. CETA kreiert einen modernen Investitionsschutz. Anders als von vielen Gegnern des Freihandelsabkommens befürchtet und behauptet, sieht CETA keine privaten Schiedsgerichte vor, die in intransparenten Verfahren ohne Revisionsmöglichkeit über staatliche Entschädigungszahlungen zugunsten von Investoren entscheiden, sondern es wird ein öffentlich legitimiertes Investitionsgericht geben. Dieses soll mit Richtern besetzt werden, die von beiden Vertragsparteien ernannt werden; auch eine Berufungsinstanz soll geschaffen werden. Alle Verfahren sollen transparent, alle Verhandlungen öffentlich sein.

Entscheidend dürfte aber die Bestimmung sein, dass Regierungen laut CETA nach wie vor Regulierungen und Gesetze erlassen können, ohne Klagen von Investoren wegen Diskriminierung oder Enteignung fürchten zu müssen. Dieses Regulierungsrecht des Gesetzgebers wird in einem eigenen Artikel des CETA-Vertragstextes bekräftigt.

Alle EU-Länder müssen CETA genehmigen

Wie sieht der Fahrplan für CETA aus? Der formale EU-Beschluss im Ministerrat ist für den 18. Oktober vorgesehen. Am 27. Oktober soll der Handelsvertrag dann auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Danach folgt der Ratifizierungsprozess. Da CETA in die Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten eingreift, werden wohl alle EU-Länder das Abkommen genehmigen müssen, damit es in Kraft treten kann.

Teile des CETA-Abkommens können jedoch auch schon vorher greifen – sobald nämlich das EU-Parlament der vorläufigen Anwendung zugestimmt hat. Betroffen davon sind allerdings nur solche Regulierungsbereiche, die nach Auffassung des EU-Rats zweifelsfrei in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen – wie die Vereinbarungen zum Zollabbau. Vertragskomponenten, die in die Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten hineingreifen, können erst nach der Zustimmung aller europäischen Mitgliedsländer in Kraft treten.

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Galina Kolev, Leiterin der Forschungsgruppe Gesamtwirtschaftliche Analysen und Konjunkt,
Geboren 1981 in Sofia, Bulgarien,
Studium der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim, Forschungsaufenthalt an der Bulgarischen Nationalbank.
Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Köln zum Thema Makroökonomik

E-Mail: kolev@iwkoeln.de

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