Ein Besuch im Palazzo Andrea Doria (Palazzo del Principe) in Genua
von Sepp Spiegl

Genua, die stolze Hafenstadt am Ligurischen Meer, hat viele Gesichter – von engen, mittelalterlichen Gassen bis hin zu prächtigen Palästen, die von der Macht und dem Reichtum vergangener Jahrhunderte zeugen. Einer der eindrucksvollsten dieser Paläste ist der Palazzo Andrea Doria, besser bekannt als Palazzo del Principe – ein wahres Juwel der Renaissancearchitektur, das tief in der Geschichte Genuas verwurzelt ist.
Der Ursprung des Stolzes – Der Palazzo Andrea Doria und seine Geschichte

In einer Stadt wie Genua, die einst als „La Superba“ – die Stolze – bezeichnet wurde, war Macht kein leises Flüstern, sondern ein steinernes Manifest. So ließ sich im frühen 16. Jahrhundert einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit ein solches Denkmal setzen: Andrea Doria (1466–1560), der legendäre Admiral, Diplomat und Patriarch der Republik. Nicht aus Eitelkeit – so sagt man – ließ Doria seinen Palast errichten, sondern als Ausdruck von Ordnung, Ruhm und Renaissancegeist. Es war das Jahr 1529, als der Bau des Palastes begann – nicht lange nach dem entscheidenden politischen Umschwung, bei dem Andrea Doria die Unabhängigkeit Genuas von französischer Fremdherrschaft wiederherstellte und die Republik neu strukturierte. Zum Dank erhob ihn das Volk zum „Vater des Vaterlands“. Er wählte den Standort etwas außerhalb der damaligen Stadtmauern, westlich des Hafens – mit freiem Blick aufs Meer, auf das Element, das sein Leben geprägt hatte. Der Palast sollte ein Ort der Repräsentation sein, aber auch ein Rückzugsort für Gelehrte, Künstler und Staatsmänner. Nicht zuletzt sollte er kaiserlichen Besuchern – allen voran Karl V., mit dem Doria eng verbündet war – standesgemäßen Empfang bieten.
Der Architekt des ursprünglichen Baus war Giovanni Angelo Montorsoli, ein Schüler Michelangelos, der die klare Renaissanceform mit ligurischer Eleganz verband. Später wirkten weitere bedeutende Künstler an der Ausgestaltung des Palastes mit – darunter Perin del Vaga, ein Schüler Raffaels, der für viele der atemberaubenden Fresken im Inneren verantwortlich war. Mit jeder Wand, jedem Deckengemälde schrieb sich der Palast ein in die große Erzählung der Renaissance. Er war das erste große Bauwerk dieser Art in Genua, noch bevor die berühmten Palazzi entlang der Via Garibaldi entstanden. Und er war mehr als nur Residenz – er war Symbol: für die neue Ordnung, für Genuas Größe und Dorias ungebrochene Autorität. Im Laufe der Jahrhunderte blieb der Palazzo in den Händen der Familie Doria – später Doria Pamphilj – und überdauerte Kriege, politische Umwälzungen und den Zahn der Zeit. Heute ist er als Palazzo del Principe bekannt – ein Ehrentitel für seinen Schöpfer, den „Prinzen ohne Krone“.
Ankunft und erster Eindruck

Schon bei der Ankunft wird klar: Der Palazzo ist kein gewöhnliches Gebäude. Er liegt etwas außerhalb des historischen Zentrums, nahe dem Hafen, und hebt sich deutlich von der umgebenden Bebauung ab. Die Fassade ist eher schlicht, aber das große Eingangstor und die mächtigen Mauern lassen erahnen, was sich im Inneren verbirgt. Nach dem Betreten des Palasts führt der Weg durch einen ruhigen Innenhof mit Brunnen und Statuen, flankiert von Arkadengängen. Besonders beeindruckend ist die gepflegte Gartenanlage, die sich zur Meerseite hin öffnet. Von hier aus hat man einen malerischen Blick auf den Hafen – genau dort, wo einst die Schiffe Andrea Dorias vor Anker lagen. Der Garten ist reich geschmückt mit Marmorstatuen, Springbrunnen und Zitrusbäumen und lädt zum Verweilen ein.
Ein Rundgang durch Glanz und Geschichte – Die Prunkräume des Palazzo Andrea Doria
Wer das schwere Portal des Palazzo del Principe durchschreitet, lässt die Gegenwart für einen Moment zurück. Die Stille der dicken Mauern, das kühle Echo unter den Gewölben, der Duft von altem Holz und Marmor – all das kündigt an: Dies ist kein gewöhnliches Haus. Es ist ein Palast der Erinnerung. Der Rundgang beginnt im Erdgeschoss, doch der eigentliche Zauber liegt eine Etage darüber: in den sogenannten Appartamenti di Rappresentanza, den Repräsentationsräumen, die eigens für Empfänge, Ehrengäste und kaiserliche Besuche geschaffen wurden. Hier entfaltet sich der ganze Glanz der Doria-Dynastie.

Der Salone di Perin del Vaga
Im Zentrum des Palasts liegt das künstlerische Herzstück: der große Prunksaal, der heute schlicht den Namen des Malers trägt – Perin del Vaga, der talentierte Schüler Raffaels, der vom Meister selbst nach Genua entsandt wurde. Unter seiner Leitung entstand ein Freskenzyklus, der den Palast bis heute zu einem der kostbarsten Renaissancebauten Norditaliens macht. Die Decken sind ein Feuerwerk an Mythen, Allegorien und politischer Symbolik – Götter steigen vom Himmel herab, Mars, Neptun und Minerva beraten über Krieg und Weisheit, während Doria selbst sich, in klassischer Rüstung, gleich einem römischen Imperator, in dieser Götterwelt einfügt. Die Szenen erzählen nicht nur Geschichten aus der antiken Mythologie – sie deuten auf Dorias politische Rolle, seine Seeschlachten, seine Bündnisse mit Karl V., seine Tugenden als Herrscher ohne Krone. Es ist ein Theatersaal der Macht, in Farbe, Licht und Symbol übersetzt.
Der Empfangssalon (Sala degli Arazzi)

Wenige Schritte weiter betritt man einen Raum, der durch seine Wandverkleidungen besticht: kostbare flämische Tapisserien, gewebt in Brüssel, schmücken die Wände. Sie zeigen biblische Szenen, antike Fabeln und höfische Allegorien – nicht nur als Schmuck, sondern als moralische Lehren für jene, die hier ein- und ausgingen. Die Böden knarren leicht unter den Schritten, und durch hohe Fenster fällt Licht auf vergoldete Rahmen, geschnitzte Möbel und reich verzierte Kamine aus schwarzem Marmor.
Das Schlafgemach des Prinzen
Im privaten Schlafzimmer des Andrea Doria – heute museal eingerichtet – ist die Atmosphäre stiller, fast kontemplativ. Das Himmelbett, von schlichter Eleganz, wird überragt von einem bemalten Baldachin. An den Wänden hängen Porträts von Familienmitgliedern, darunter auch das berühmte Bildnis Dorias im Alter – mit wachem Blick, tiefen Linien, aber ungebrochener Haltung.
Die Kapelle

Ein Ort der inneren Einkehr liegt in der kleinen, aber kunstvoll ausgestatteten Hauskapelle, deren Altar mit polychromem Marmor und fein gearbeiteten Holzschnitzereien geschmückt ist. Hier, so erzählt man, ließ sich Andrea Doria oft früh am Morgen nieder, um allein zu beten – bevor er die Weltbühne betrat.
Die Gärten – ein lebendiges Gemälde
Nach der Fülle der Innenräume bieten die Terrassengärten an der Meerseite eine wohltuende Öffnung. Geometrisch angelegt, mit Brunnen, Balustraden und Statuen, sind sie ein Paradebeispiel italienischer Gartenkunst des 16. Jahrhunderts. Zypressen und Zitronenbäume rahmen den Blick auf den Hafen – dort, wo einst Dorias Galeeren lagen, bereit für Reisen, Schlachten und Diplomatie. Die berühmte Statue Andrea Dorias als Neptun, geschaffen von Taddeo Carlone, steht im Zentrum der Gartenanlage – ein Monument der Selbstinszenierung, aber auch der engen Verbindung zwischen dem Admiral und dem Meer, das sein Schicksal lenkte.
Musealer Bereich & Sammlung

Heute beherbergt der Palast auch eine kleine, aber feine Sammlung von Gemälden, Möbeln und Alltagsobjekten aus der Zeit der Doria. Besonders hervorzuheben sind:
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Originalhandschriften und Briefe Andrea Dorias, darunter Korrespondenz mit Karl V.
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Historische Waffen und Rüstungen, teils getragen in den berühmten Seeschlachten
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Schiffsmodelle und nautische Instrumente, die seine Karriere als Admiral veranschaulichen
Die Atmosphäre
Was diesen Palast so besonders macht, ist nicht nur seine Pracht, sondern die Atmosphäre. Im Gegensatz zu anderen überlaufenen Sehenswürdigkeiten Genuas geht es hier überraschend ruhig zu. Man kann die Räume in aller Ruhe besichtigen und in die Zeit der Republik Genua eintauchen – als sie eine der bedeutendsten Seemächte Europas war. Der Palazzo Andrea Doria ist ein absolutes Muss für alle, die sich für Geschichte, Kunst und Architektur begeistern. Er ist nicht nur ein Denkmal für eine bedeutende Persönlichkeit, sondern auch ein Zeugnis für die Glanzzeit Genuas. Mein Besuch dort war eine Reise in die Vergangenheit – voller Schönheit, Macht und Renaissance-Pracht.

Wer Genua besucht und nur die Altstadt erkundet, verpasst diesen Schatz. Der kleine Abstecher lohnt sich – und bleibt garantiert in Erinnerung.
Reisetipps:
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Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, meist vormittags und nachmittags geöffnet. Montags geschlossen.
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Eintritt: Ca. 10 Euro, Ermäßigungen möglich.
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Tipp: Eine Führung oder ein Audioguide lohnt sich, um die vielen Details der Kunstwerke und Geschichte zu verstehen.
Adresse: Piazza del Principe, 4, 16126 Genova GE, Italien
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