Wir sind doch einfach klasse!
Von Gisbert Kuhn
Also, ganz im Ernst, wir sind schon ganz schön klasse. Ich meine, wir Deutschen. Man braucht sich doch bloß umzugucken. Nur so zum Vergleich. Beispielsweise bei den Italienern. Dort stürzen sogar Brücken ein. Am helllichten Tag. Weil keiner mal zwischendurch nachgeschaut hat. Wie bitte, was meinen Sie mit „Und Leverkusen“? Marode Rheinbrücke? An der hätten sich die in Genua besser mal ein Beispiel genommen! Immerhin steht die noch. Oder Griechenland. Was hätten diese Schuldenkaiser denn gemacht ohne unsere Hilfe? 289 Milliarden Euro haben wir dort unten reingebuttert. Und jetzt jammern sie, weil sie wieder auf eigenen Füßen stehen sollen! Okay gut, das Geld ist nicht allein von uns gekommen. Und es mag ja auch stimmen, dass wir über die Zinsen eigentlich sogar ordentlich verdient haben. Aber was heißt das denn? Wer weiß schließlich, was sich diese überbezahlten Nichtskönner in Brüssel in Zukunft noch alles ausdenken und bei uns abladen.
Und dann die Franzosen. Angeblich unsere besten Freunde. Dabei wollen die doch auch bloß an unser Geld. Man braucht sich ja nur diesen jungen Schönling, den Macron, anzugucken und ihm zuzuhören. Hier will er ein zusätzliches Gemeinschaftskonto einrichten, dort schlägt er eine Bedienungskasse für alle vor. Und wer soll es berappen? Genau! Kennen wir doch. Ganz zu schweigen von den Polen. Und dann erst die Rumänen und Bulgaren. Die schicken Kreti und Pleti zu uns, damit die nicht nur die Sozialkassen anbohren, sondern dazu sogar noch massenhaft beim Kindergeld betrügen! Was sagen Sie? Das zu unterbinden sei eigentlich Sache der Verfolgungs- und Strafbehörden? Mag ja sein. Kene Ahnung, warum die von der Stadt jahrelang einfach Stempel auf die Papiere gedrückt und zur Kasse durchgewunken haben. Aber bescheißen tun trotzdem auf jeden Fall die Anderen! Gemessen an dem Skandal ist es doch ein Fliegendreck, wenn ich bei mir zu Hause mal ein paar Wochen einen Ukrainer schwarzarbeiten lasse! Schließlich zahle ich genug Steuern.
Zivilisiert mit Moral und Anstand
Wahrscheinlich liegt der Unterschied schlicht darin, dass wir halt ein zivilisiertes Volk sind. Eine Gesellschaft mit Moral und Anstand, in der man selbst in hitzigen Debatten gesittet miteinander umgeht, auch den (oder die) Gegenüber zu Wort kommen lässt – kurz: ganz einfach die Regeln der Höflichkeit und das beachtet, was früher einmal „Kinderstube“ hieß. Eigentlich hätte der Evangelist Lukas im Kapitel 18, Vers 9 bis 14 das Jesus-Gleichnis ja gleich direkt uns zuschreiben können, in dem der Pharisäer im Tempel betet: „Ich danke Dir, Herr, dass ich nicht bin wie die anderen Leute – Räuber, Betrüger, Ehebrecher…“ Zugegeben, das wäre vielleicht ein bisschen dick aufgetragen, aber im Allgemeinen trifft es schon zu.
Was sagen Sie? Das sei doch sehr einseitig dargestellt, und so einfach könne man die Dinge nicht sehen? Dann mal raus mit der Sprache – was stört Sie denn? Wo sind wir nicht Spitze und vorbildhaft? Gut, die Sache mit den Hooligans und ihren Pyros bei den Fußballspielen finde ich auch nicht so ganz cool. Obwohl, bei längerem Nachdenken – klammheimlichen Spaß macht das schon, wenn die Fackeln glühen und man vor lauter Rauch die Kicker und den Ball auf dem Feld nicht mehr sieht… Und im Ernst, was ist denn daran so schlimm, wenn sich die Fans gegnerischer Klubs hie und da verabreden und sich nach allen Regeln der Kunst gegenseitig die Fresse polieren? Haben Sie zugehört: nach Regeln! Wie beim Boxen, oder so. Die Jungs müssen halt irgendwo hin mit ihrer überschüssigen Kraft und Energie. Ist doch ganz normal. Anderswo – also in anderen Ländern – machen die das ja auch.
Katastrophen-Fotos ins Net
Herrgott ja, Sie sind aber auch kleinlich. Ein richtiger Korinthenkacker. Jetzt kommen Sie mit den Übergriffen und Attacken auf Rettungs-Sanitäter und Feuerwehrleute. Das ist doch bestimmt von den Medien maßlos übertrieben. Wie sagt man heute – fake news. Meinetwegen, halten Sie es doch für unanständig, unmoralisch, unmenschlich und kriminell, wenn Passanten oder Autofahrer mit ihren Handys Fotos von Verkehrsunfällen oder Katastrophen schießen und diese dann bei facebook einstellen. Ich sehe das nicht so dramatisch. Außerdem brauchten die Sicherheits- und Rettungskräfte doch bloß ein paar Decken davor zu spannen, und schon wäre Schluss mit den Fotos. Es gibt, wie man daran erkennt, halt nie nur einen Schuldigen.
Na bravo, darauf habe ich die ganze Zeit schon gewartet. Jetzt ist Ihr Lieblingsthema dran – facebook und die anderen Sozialen Netze. Sage ich´s doch: schon liegen die drei H´s auf dem Tisch. Sollen wohl bedeuten „Häme, Hetze, Hass“. Wollen Sie damit etwa andeuten, dass es nicht dem Bild von einer zivilisierten Gesellschaft entspricht, was dort zu lesen steht? Also, erstens, ist da ja nicht alles Schrott. Das müssen doch selbst Sie zugeben. Und, zweitens, mein Gott, die paar Überspitzungen tragen nun wirklich kaum zu der angeblich wachsenden Verrohung unserer Sprache bei. Ich würde da eher vom Salz in der Suppe sprechen. Grässliche Schreibfehler und miserables Deutsch? Ist mir noch gar nie so aufgefallen. Aber schließlich sollen die Leute in jungen Jahren ja nicht zu Goethes und Schillers erzogen werden, sondern zu mündigen Bürgern. Für die ist es dann wirklich nicht entscheidend, ob „das“ und „dass“ mit einem oder zwei „s“ und „nämlich“ mit oder ohne „h“ geschrieben wird.
Sagen Sie doch, was Sie wollen – ich bleibe dabei: Wir Deutschen sind Klasse. Und der Dichter (oder war´s ein Historiker?), wie hieß er gleich noch, hatte schon Recht mit der Aussage, dass an unserem Wesen die Welt oder sonst irgendetwas genesen sollte. Das einzige, was mich an uns – verstehen Sie mich recht, damit meine ich jetzt nicht uns persönlich – in jüngster Zeit geärgert hat, war die Fußball-Nationalmannschaft bei der WM. Aber kein Wunder, wenn in dem Team dermaßen rumgetürkt – Sie haben schon gemerkt, ein kleiner Scherz – wird mit dem Özil und so… Doch das werden wir auch wieder hinkriegen. Immerhin hat die Merkel versprochen: „Wir schaffen das!“ Wie bitte, das war in einem ganz anderen Zusammenhang? Na und, die Wahrheit ist schließlich universell.