Habt endlich Mut zur Wahrheit!

Dieter Weirich

Was die Alterssicherung angeht, sind die Deutschen offenkundig nüchterner und weniger erwartungsfroh als ihre Bundesregierung. Folgt man der jüngsten Repräsentativumfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) gehen 74 Prozent der Bundesbürger von einem geringeren Lebensstandard im Alter aus, eine Steigerung von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Inflation und andere Zukunftssorgen haben ihre Spuren hinterlassen.

Mit der Alterssicherung steht die Berliner Ampel-Regierung vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die demographischen Probleme sind nur mit mutigen Schritten und der unpopulären Bereitschaft zur Wahrheit zu lösen. Spätestens 2030, wenn das Gros der so genannten Babyboomer in den Ruhestand geht, kippt bei der gesetzlichen Rente das Verhältnis zwischen Einzahlern und Empfängern. Auf einen Rentner kommen dann eineinhalb Beitragszahler.

Auch die jetzige Regierung steckt den Kopf in den Sand vor der Bewältigung dieser zentralen Frage, die nur mit einem Mix an Reformen zu lösen ist. Besonders auf dem Kriegsfuß mit Adam Riese steht Arbeitsminister Heil, der die dringend notwendige Anhebung des Renteneintrittsalters ablehnt und in der Großen Koalition sogar die Rente mit 63 ohne Abschläge für alle Arbeitnehmer mit mehr als 45 Beitragsjahren durchgesetzt hat. Jetzt heißt es: Kommando zurück, ältere Arbeitnehmer fordern Kanzler und Heil unisono auf, weiter zu wirken.

Schon heute lebt die Rentensicherung von hundert Milliarden Euro jährlich an Steuergeldern – eine Summe, die im Interesse aller Bürger nicht weiter gesteigert werden darf. Vielmehr muss an den anderen Stellschrauben zur Zukunftssicherung gedreht werden. Vor allem sollte das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden, wie es jetzt die oppositionelle CDU gefordert hat.  Auch eine Reformdebatte über Pensionen ist ein Gebot der Stunde.

Rasch umgesetzt sollte die von den Freien Demokraten gewünschte Aktienrente. Dass der Staat wie in anderen Ländern Aktien und Anleihen am Kapitalmarkt ankauft und die Gewinne für dir Rentenfinanzierung einsetzt, ist eine gute Idee. So wird jeder Steuerzahler zum Aktionär. Die von Finanzminister Lindner dafür zunächst vorgesehenen zehn Milliarden Euro sind zwar ein bescheidener Anfang, gehen aber in die richtige Richtung.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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