Teurer Sonderweg

Dieter Weirich

Handelt es sich bei der Energiepolitik der Ampel um Zukunftssicherung oder Traumtänzerei? Am 15.April werden die letzten drei Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Ist das der „Aufbruch in eine neue Zeit“, wie es uns die Grünen preisen, oder „Die dümmste Energiepolitik der Welt“, wie das Wall Street Journal konstatierte.

Folgt man den Ankündigungen von Bundeskanzler Scholz, sollen in den nächsten sieben Jahren vier bis fünf Windräder am Tag entstehen, in der Vorjahresstatistik kommt man noch nicht einmal auf eine Anlage pro Tag. Für die beabsichtigte Verzehnfachung des Ausbaus gibt es aber zu wenig Genehmigungen, es fehlt an Investoren und ausreichender Produktionskapazität.

Zu den anspruchsvollen Plänen gehört auch die tägliche Bereitstellung von 40 Flächen in der Größe von Fußballfeldern für Solaranlagen. Die Stromleitungen in den Wohnstraßen aber reichen noch nicht einmal für Wärmepumpen und E-Autos, weshalb der Ruf von Energieversorgern nach Zwangsbewirtschaftung ertönt.

Unrealistisch ist auch die Absicht, 30 neue Gaskraftwerke bis 2030 zu errichten. Mehr als ein halbes Jahrzehnt währte in der Vergangenheit die Genehmigung für solche Vorhaben.

Wer die Energiewende noch auf einen halbwegs vertretbaren Pfad zurückführen und eine Stromversorgung zu vertretbaren Preisen garantieren will, sollte Herstellung und Importe sowie Logistik von Wasserstoff in den Blick nehmen. Auch die C02- Speicherung und Nutzung sollten im Interesse einer klimagerechten Politik in den Vordergrund rücken.

Deutschlands energiepolitische Isolierung in Europa muss der Vergangenheit angehören. Niemand versteht auf unserem Kontinent, warum wir ohne Not jetzt die letzten verbliebenen Kernkraftwerke abschalten, obwohl die friedliche Nutzung der Kernenergie weltweit eine Wiedergeburt feiert. Den deutschen Sonderweg werden wir teuer bezahlen.

„Oft ist die Zukunft schon da, ehe wir ihr gewachsen sind“ schrieb der US-Literatur-Nobelpreisträger John Steinbeck. „Früchte des Zorns“ hieß sein bedeutendster Roman. Weitblick nennt man so etwas.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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