Dieter Weirich

 Moralisch tot

Gerade ist Welt-Olympiatag, ein an die Wiederkehr der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 erinnernder Gedenktag. Man darf von einer Lobpreisung der völkerverbindenden Kraft des Sports durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) ausgehen. Statt hehrer Bekenntnisse sollte sich die globale Sportorganisation von 115 Ländern allerdings selbst noch einmal die Olympische Charta vor Augen führen. Danach soll der Sport nämlich in den Dienst der harmonischen Entwicklung der Gesellschaft gestellt werden, „um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenwürde verpflichtet ist“.

Menschenrechtsverletzungen freilich hat der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach in der Vergangenheit selten thematisiert.  Jetzt plädiert er zusammen mit dem IOC-Präsidium gegen den Willen der deutschen Regierung und der Athleten sowie der Europäischen Union dafür, Sportler aus Russland und Putins Vasallenstaat Belarus zu den Olympischen Spielen in Paris zuzulassen. Für Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, ehemaliger Profi-Boxer, ist das IOC damit „moralisch tot“.

Zwar sollen die Athleten unter neutraler Flagge starten, auch darf ihre Nationalhymne nicht gespielt werden. Dabei weiß auch der gerade aus der FDP ausgetretene Bach, dass Sport hochpolitisch ist, Erfolge von Athleten in Moskau und Minsk natürlich propagandistisch ausgeschlachtet würden.

Bach, der einstige Olympiasieger im Fechten, gibt sich strikt unpolitisch, spielt die Rolle des Naiven auf der Bühne des Weltsports. Es stehe den Regierungen nicht zu, zu entscheiden, wer an der Olympiade teilnehmen dürfe.  Mit einer Blockade der Russen werde die Einheit des Weltsports zerstört.

Der gelernte Jurist, ein raffinierter Netzwerker von hohen Gnaden, fühlt sich auf den roten Teppichen der Autokraten dieser Welt wohl, bei den Olympischen Spielen in Sotschi gab es kein Wort zu den Menschenrechten, auch das russische Staatsdoping war eher ein nebensächliches Thema. Devot waren auch die Auftritte bei den Winterspielen gegenüber dem chinesischen Machthaber Xi Jinping.

Wie dem mit ihm befreundeten Fifa-Chef Giovanni Infantino geht es Bach vor allem darum, seine interne Verbandsmacht zu stärken. Die Funktionäre aus Asien und Afrika interessiert der Krieg gegen die Ukraine ohnehin herzlich wenig, solange aus Lausanne und Zürich ordentlich Gelder überwiesen werden. Ein beschämendes Schauspiel von Opportunismus.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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