Weirichs Klare Kante

Am Siedepunkt
Deutschland steckt in der schwersten Migrationskrise seit 2016 und die Stimmung ist am Siedepunkt. Demonstrationen zur Verhinderung des Baus von Containerdörfern für Flüchtlinge, Proteste von Landräten und Bürgermeistern gegen die Migrationspolitik der Regierung, sich in Umfragen verstärkender Unmut über das Asylrecht, in dieser bewegten Lage hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz aktuell zu einem „Kommunalgipfel zur Asyl-und Flüchtlingspolitik“ in Berlin gebeten. Von den 700 eingeladenen Bürgermeistern und Landräte erwartet man basisnahe Vorschläge, Kompetenz bei diesem Zukunftsthema könnte die nächste Bundestagswahl entscheiden.
Die Ampel-Koalition hat eine „Rückführungsoffensive“ für abgelehnte Asylbewerber versprochen, doch dafür gibt es keine Anzeichen. 300 000 Menschen leben in der Bundesrepublik, die das Land eigentlich verlassen müssten. Zwei Drittel der Abschiebungen scheitern aus unterschiedlichen Gründen.
Aber nicht nur die Ampel, auch die Opposition tut sich mit einer klaren Linie in der Migrationspolitik schwer. Friedrich Merz, zum Beispiel, schwankt in seiner Haltung zwischen einer schärferen Linie, nämlich der Benennung weiterer sicherer Herkunftsländer für verstärkte Abschiebungen, und Stillhalten gegenüber den „Merkelianern“, die Angst davor haben, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Er weiß aber, dass er sich entscheiden und das Thema zur Chefsache machen muss.
Wichtig ist der Union, Asylverfahren und Einwanderung von Fachkräften, für welche die Prozesse zur Anwerbung dringend vereinfacht werden müssen, voneinander zu trennen. Den Regierungsparteien unterstellt man Tendenzen zur Vermischung.
Letztlich werden die Probleme aber nur gelöst, wenn es zu einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen kommt. Personen sollten nur noch in die Europäische Union kommen können, die zuvor außerhalb der Grenzen einen positiven Asylbescheid erhalten haben.
Je näher Politiker an der Basis sind, desto pragmatischer sind übrigens ihre Lösungsvorschläge. So hat der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer zusammen mit einem bayerischen Parteifreund und Landrat einen Masterplan für weniger Bürokratie entwickelt, den es sich umzusetzen lohnt.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.