Dieter Weirich

Aufbruch zur Freiheit

Es klingt hochherrschaftlich, wenn Bundespräsident Steinmeier aus Anlass des 175. Jahrestages der so genannten „Märzrevolution 1848“ zu einem „republikanischen Bankett“ bittet. Dieser Einladungstext hat freilich einen historischen Hintergrund. Schließlich waren Bankette in der Tradition der damaligen Zeit von den Machthabern doch besonders gefürchtet, weil die liberale und demokratische Opposition hier den Aufbruch zur Freiheit geistig vorbereitete. So war das Verbot eines Banketts der Zündfunke für Aufstände und damit die Revolution in Frankreich.

Es ist gut, dass die deutsche Erinnerungskultur die schändliche NS-Zeit gründlich aufarbeitet. Doch wäre es falsch, die deutsche Geschichte nur auf ihre Abgründe zu reduzieren. Die Erinnerungen an die Barrikadenkämpfe in Berlin und die vom März 1848 bis zum Juli des darauffolgenden Jahres währenden revolutionären Erhebungen im Deutschen Bund werden in der Hauptstadt eine Vielzahl von Veranstaltungen und ein „Wochenende der Demokratie“ prägen. Ein Stadtspaziergang wird zu den historischen Stätten führen, war Berlin doch neben Paris und Wien einer der Hauptschauplätze der Revolution.

Die Märzrevolution war Teil der nationalen Einheits-und Unabhängigkeitsbestrebungen gegen die Herrscherhäuser in Europa. Der Kampf für die Freiheitsrechte führte zu einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche, die eine Zentralregierung einsetzte und sich als Parlament eines revolutionären, entstehenden Deutschen Reiches betrachtete. Der erste Versuch, einen demokratisch verfassten einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, scheiterte schließlich aber, wurde von preußischen und österreichischen Truppen mit militärischer Gewalt niedergeschlagen.

Während Amerikaner und Franzosen stolz auf ihre revolutionäre Geschichte sind, in Feier-und Gedenktagen auf bedeutsame historische Daten verweisen, die Kindern im Unterricht mit der Geschichte des Landes vertraut machen, hat die deutsche Erinnerungskultur diesen Teil unserer Vergangenheit eher links liegen gelassen. Das sollte sich ändern. So wird die Paulskirche, in der am 18.Mai 1848 das erste frei gewählte deutsche Parlament tagte, als Gedenk- und – Lernort aufgewertet und von einem „Haus der Demokratie“ begleitet werden. Gut so.

 

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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