Weirichs Klare Kante
Stalinkult bedroht Putin

Er war ein guter Schüler, seine religiöse Mutter schickte ihn aufs orthodoxe Priesterseminar, doch er wurde Berufsrevolutionär. Die Rede ist von dem Georgier Josef Wissarionowitsch Dschungaschwili, genannt Stalin. Ein Name, der Assoziationen an einen „ Stählernen“ wecken sollte und der ihm gefiel. Neben Adolf Hitler war er der schlimmste Teufel der europäischen Geschichte im vergangenen Jahrhundert. Am Sonntag (5.März) jährt sich sein 70.Todestag. Und noch immer verehren viele Russen den grausamen Tyrannen. Noch vor wenigen Tagen wurde zum 80. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad eine Stalin-Büste enthüllt.
Erinnerungskultur kennt die russische Politik nicht. Eine Aufarbeitung des mörderischen Stalin-Regimes hat nicht wirklich stattgefunden. Der verstärkte Stalinkult schwächt auch Putins Position, dessen Charakter Parallelen zu dem Dämon aufweist. Er verlangt von seiner Umgebung Kadavergehorsam. Die Erinnerung an den Gewinner des „Großen Vaterländischen Krieges“ zeigt den Russen aber auch die Schwäche des gegenwärtigen Kriegsherrn.
Stalin war von 1927 bis 1953 Diktator der Sowjetunion, von 1922 bis zu seinem Tod Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Während seiner Schreckensherrschaft starben bei Kampagnen gegen Bauern und Säuberungen politischer Gegner in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts Millionen Menschen.
Die große Transformation der Wirtschaft trieb über sechs Millionen Menschen in den Hungertod, politische Gegner wurden in Schau- und Geheimprozessen zu Zwangsarbeit verurteilt, deportiert und gefoltert, gezielt ermordet. Ganze Volksgruppen landeten in Gulag-Strafarbeitslagern .“Holodomor“ – zu Deutsch Tötung durch Hunger – betraf vor allem die Ukrainer, die jetzt unter Putins Barbarei zu leiden haben. Ein Denkmal in Kiew erinnert an die verhungerten Menschen.
Legendenumwoben ist der Tod des roten Zars, der einige Tage zuvor nach einem nächtlichen Trinkgelage einen Schlaganfall erlitt und dann einem Hirnschlag erlag. Große Hilfeleistung auf dem Totenbett wurde ihm vom Politbüro nicht zuteil. Die besten Ärzte des Landes waren Juden und saßen ohnehin in den Folterkammern. Unter den Funktionären begannen bereits die Diadochenkämpfe, bevor der Führer die Augen schloss.
Angeblich lehrt die Geschichte ja die Völker…
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.