Über den Wolken – Wolkenkuckusheim

Dieter Weirich

„Über den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein“. Mit diesem populären Lied kombinierte Reinhard Mey 1974 die machtvollen Worte Freiheit, Angst und Sorge auf federleichte Weise. Seine Erzählung, dass wir Deutsche nur über den Wolken frei atmen können, findet in diesen Tagen ihre traurige Bestätigung in dem grauenvollen Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine, der die Welt in Atem hält. Dennoch gehört der 82 Jahre alte Barde mit Alice Schwarzer, Sahra Wagenknecht und Peter Gauweiler, um nur einige prominente Namen zu nennen, zu den Urhebern eines schon von mehreren hunderttausend Menschen unterzeichneten „Manifests für den Frieden“, das im Mittelpunkt einer Kundgebung am 25. Februar in Berlin steht.

Die Initiatoren fordern rasche diplomatische Bemühungen, warnen vor einem dritten Weltkrieg. Die Ukraine drohe bei Fortsetzung des Krieges ein „entvölkertes, zerstörtes Land zu werden, über 200 000 Soldaten, 50 000 Zivilisten sind bereits getötet, unzählige Frauen vergewaltigt, ein ganzes Volk traumatisiert „worden. Nun gehe es dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj darum, mit Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffen Russland auf ganzer Linie zu besiegen.

Was diesen Aufruf so übel und nach Ansicht des Politologen Herfried Münkler zu einem „gewissenlosen Manifest“ macht, ist vor allem die Tatsache, dass die vom Kriegselend heimgesuchten Ukrainer darin nicht als Opfer, sondern als Täter gebrandmarkt werden. Ausgerechnet Deutsche, die ihre Freiheit der Entschlossenheit der Nazi-Gegner im zweiten Weltkrieg und danach vor allem der Schutzmacht Amerika zu verdanken haben, bestreiten nun der Ukraine das Recht, für die Freiheit und territoriale Integrität ihres Landes einzutreten. Die Werte der Aufklärung wie Menschenrechte und Universalismus haben damit abgedankt.

Es ist die alte deutsche Tradition des Wegschauens, die aber bei den imperialistischen Bestrebungen Putins brandgefährlich ist. Der Kreml setzt auf Auflösungserscheinungen im Westen, die er propagandistisch ausschlachtet. Die Initiative im Sinne Lenins aber nur als „nützliche Idioten „Putins zu bezeichnen, wird den aufrichtigen Motiven einiger ihrer Urheber nicht gerecht. Wer friedensbewegt über den Wolken schwebt, lebt aber im Wolkenkuckucksheim.

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