Graue Zellen im Abwind

Dieter Weirich

Deutschland ist rohstoffarm und exportabhängig zugleich, lebt also von der technischen Intelligenz seiner Produkte. Es waren die kleinen grauen Zellen unserer Wissenschaftler, unserer Ingenieure, unserer Experten, die uns so erfolgreich auf den Märkten gemacht und soziale Sicherheit für die Menschen gebracht haben.

Wirtschaftsminister Robert Habeck sollte sich die Ergebnisse der jüngsten, von seinem Haus selbst in Auftrag gegebenen Studie über die deutsche Rohstoff-Abhängigkeit genau ansehen und auf die Ratschläge erfahrener Fachleute und nicht auf die Einflüsterungen grüner Karrieristen hören. Von 46 strategisch relevanten Rohstoffen muss Deutschland 39 einkaufen. Vor allem die Abhängigkeit von der Volksrepublik China, die wiederum weltweiter Hauptproduzent von 23 dieser 46 Rohstoffen ist, bereitet Sorge.

Deutschland bezieht beispielsweise mehr als 90 Prozent der Seltenen Erden aus dem Reich der Mitte. Dieser Rohstoff wird für Katalysatoren in der Autoindustrie ebenso dringend benötigt wie in der Glas-und Keramikindustrie, der Optik und der Metallurgie.

Dass die offenkundig im Abwind begriffenen grauen Zellen und grüne Politik ein Widerspruch   sind, zeigt die Diskussion über die einst als große technische Innovation gefeierte Nutzung der zivilen Kernkraft. Wir kommen weder über den Winter, noch darüber hinaus ohne französischen Atomstrom aus. Unsere eigenen Kraftwerke dürfen aber nur bis zum Ende des Frühjahrs 2023 laufen. Auch die hierzulande mögliche Gewinnung von Erdgas und Erdöl sowie die Erschließung der Tiefengeothermie durch Fracking wird abgelehnt.

Dass einige aktivistische Milieus aus dem Kampf gegen die Atomenergie, die von vielen Ländern als Heilmittel gegen den Klimawandel angesehen wird, politisch in der Lage sind, die De-Industrialisierung Deutschlands zu forcieren und in der Krise ihrer technologiefeindlichen Ideologie zu folgen, verschafft Deutschland international eine traurige Alleinstellung. Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass Habeck sich eher den innerparteilichen Machtspielen als der Vernunft beugt.

Auch der listige Vorschlag der FDP, das Tempolimit im Gegenzug zu einem Akw-Weiterbetrieb in Frage zu stellen, wird sture grüne Politruks wahrscheinlich  nicht zu einem Kurswechsel bewegen.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

 

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