Vor „heißem Herbst“

Dieter Weirich

Einen Vorgeschmack auf den „heißen Herbst“ des politischen Protests liefern in diesen Tagen die „Fridays-for-future“-Anhänger, die sich an einem globalen Klimastreik beteiligen. Die deutsche Bewegung weitet ihre Demonstrationen gegen die Erderwärmung thematisch um Trockenheit und Hitzewellen, Waldbrände, Wasserknappheit und Überschwemmungen aus und fordert die Einrichtung eines Sondervermögens von hundert Milliarden Euro im Kampf gegen den Klimawandel. Was uns die Garantie unserer Sicherheit nach Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine wert sei, müsse auch für die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen und den Schutz unserer Erde gelten.

„Was nützt uns die beste Sozialpolitik, wenn die Kosaken kommen“, hatte vor mehr als einem Jahrhundert der große Liberale Friedrich Naumann seine politische Prioritäten-Skala definiert. Die noch im vorigen Jahr vertretene These, der härteste und wichtigste Kampf in diesem Jahrhundert werde ohne Waffen, sondern mit den Werkzeugen erneuerbarer Energien und Effizienz geführt, ist nach dem Überfall auf die Ukraine überholt.

Der von den Klimaschützern erhobene Vorwurf, die Bundesregierung kehre in der Krise jetzt zu Kohle, Öl und Gas, also zu fossilen Energien zurück, ist ungerecht. Es ist unbestreitbar, dass die blauäugig gegenüber Russland geführte Energiepolitik der Vergangenheit unverantwortlich war, zur Überwindung der Krise ist der Rückgriff auf die Kohle aber unverzichtbar. Überzeugender wäre allerdings eine zusätzliche Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke, was aus ideologischen Gründen von den Grünen, aber auch von „Fridays for future“ abgelehnt wird.

Der Schluck aus der Milliarden-Pulle soll aus der Übergewinnsteuer und der Lockerung der Schuldenbremse finanziert werden. Eine weitere Verschuldung würde den Marsch in die ungebremste Inflation befördern, uns immer stärker in den Schuldensumpf ziehen, in dem wir in der europäischen Transferunion ohnehin schon gelandet sind. Die Klima-Aktivisten werden ihre politische Glaubwürdigkeit in den kommenden Wochen verschärfter Proteste nur wahren, wenn sie sich nicht weiter radikalisieren. Die Untergangs-Mythen, Dystopien und Aufrufen zu Straftaten der „Letzten Generation“ haben der Bewegung schwer geschadet.

Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.

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