Weirichs Klare Kante
CDU muss Profil schärfen

Selbstkritische Erkenntnisse kommen bei Politikern oft reichlich spät. Nach 16 Jahren sei die CDU nicht mehr in einem Zustand der Regierungsfähigkeit gewesen, befand jüngst der gescheiterte Kanzlerkandidat Armin Laschet.
Parteichefin Angela Merkel hat in der Tat die Regierungspartei in einem desaströsen Zustand an ihre Erben übergeben. Sozialdemokratisiert und dadurch von den Wettbewerbern kaum noch unterscheidbar, ohne überzeugende Grundsätze, bei den Kompetenzwerten vor allem in der Wirtschaft und der Sicherheit ohne Vertrauen beim Publikum, überdies mit Affären und Skandalen einzelner Abgeordneter im Süden der Republik beschäftigt. So schleppte sich Merkels Kabinett zum Wahltag, der mit einem Desaster für die Unionsparteien endete.
Von diesem Waterloo hat sich die Union bis heute noch nicht erholt. Angesichts der bisher schwachen Vorstellung der Ampel führt die bei den Landtagswahlen erfolgreiche Opposition zwar in den Umfragen, allerdings für die erfolgsverwöhnten Christdemokraten mit sehr bescheidenen Werten.
Friedrich Merz ist als Oppositionsführer ein Glücksgriff. Mit seinen Rededuellen belebt er den Bundestag. Plötzlich ist wieder Leben in der Bude, pardon im Hohen Haus.
Erneuerung ist bei der Union angesagt. Keine politische Organisation ist inzwischen basisbewusster als die früher als Honoratiorenpartei etikettierte Union. Die über 400 000 Mitglieder werden mit Blick auf den Bundesparteitag am 9. und 10. September in Hannover aufgerufen, an einem neuen Grundsatzprogramm, das bis zur Europawahl 2024 stehen soll, mitzuwirken.
Carsten Linnemann, Vorsitzender der Programmkommission, will eine „brennende und fesselnde Erzählung“, Gitta Connemann ist eine Neubesinnung auf die Marktwirtschaft mit dem Bekenntnis zur Leistung als entscheidenden Parameter wichtiger als die Geschlechterquote für Gremienwahlen.
Die Grundwerte-Charta als Vorwort enthält viel Parteilyrik, sie sollte durch klare Richtungsanzeigen für die Zukunft als Volkspartei der Mitte ergänzt werden. Dazu gehören Antworten, wie man schneller zur Klimaneutralität kommen kann und ob die Zeitenwende nicht ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr erfordert. Ein schärferes Profil ist gefragt.
Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.
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