Verbrannte Erde

Autor Dieter Weirich

„Tarnen und Täuschen“ gehört zur soldatischen Grundausbildung. Wladimir Putin hat diese für Waffenträger unverzichtbare Disziplin in den Mittelpunkt seines brutalen Angriffskrieges gestellt, den er „Spezialoperation“ nennt. Der Begriff „Krieg“ ist für die Kreml-Führung tabu.

Jüngst hat Putin freilich seine Tarnung aufgegeben. In einer skurril anmutenden Geschichtsstunde verglich er sich in Sankt Petersburg mit dem Zaren „Peter dem Großen“ und dessen Kampf im Nordischen Krieg gegen die Schweden. Sein historisches Vorbild habe nichts geraubt, es habe nur die von den Schweden okkupierte  russische Erde zurückgeholt, slawische Blutsbrüder wieder vereint und die schwedische Vormachtstellung an der Ostsee gebrochen. Die Stimmen des Auslands habe er ignoriert.

Die freie Welt hat soeben beim G7-Gipfel im oberbayerischen Ellmau demonstriert, dass sie mit Entschiedenheit und eigener Opferbereitschaft für das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Wahrung ihrer Werte einzutreten bereit ist. Der barbarische russische Angriff auf die Ukraine, der mit Kriegsverbrechen verbunden ist, gilt letztlich der NATO und Europa, also uns allen. Im Kalten Krieg gab es die sogenannte „Breschnew-Doktrin“. Ein Land, dass das sozialistische Lager einmal betreten hatte, sollte es niemals wieder verlassen dürfen. Freiheitsbestrebungen im Ostblock wurden von sowjetischen Panzern niedergerollt.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Wiedererlangung des Selbstbestimmungsrechtes für viele, einst unter Moskauer Diktat befindliche osteuropäische Völker konfrontiert Russland die Welt nun mit einer „Putin-Doktrin“. Wer geschichtlich mit russischer Erde verbunden ist (oder war), solle in das Imperium zurückgeholt werden. In der Ukraine scheint Putin nur den Anfang zu sehen. Mit Gebietsabtretungen in der Ukraine würden nur Moskaus Begehrlichkeit für andere Regionen wie etwa Südossetien im Kaukasus neu geweckt.

„Kein Vormarsch ist so schwer wie der zurück zur Vernunft“, meinte einst Bertolt Brecht.  Putin glaubt mit seiner Haltung dem Land seine Erde zurück zu holen. Es würde nur verbrannte Erde sein. 

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Dieter Weirich (Jg. 1944), gelernter Journalist, kommentiert jede Woche mit spitzer Feder seine Sicht auf das aktuelle Geschehen in rantlos; mit freundlicher Genehmigung der “Zeitungsgruppe Ostfriesland (ZGO)”. Weirich war von 1989 bis 2001 Intendant des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle. Zuvor gehörte er eineinhalb Jahrzehnte als CDU-Abgeordneter dem Hessischen Landtag und dem Deutschen Bundestag an, wo er sich als Mediensprecher seiner Partei und als Wegbereiter des Privatfernsehens einen Namen machte. Außerdem nahm er Führungspositionen in der PR-Branche in Hessen wahr. Weirich, der sich selbst als “liberalkonservativen Streiter” sieht, gilt als ebenso unabhängig wie konfliktfreudig.   

 

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